Was zeitgenössische Architektur vor allem anderen charakterisiert, ist ihre meist klare, lineare Formgebung – und große Fenster. Kalte Materialien wie Beton werden gerne als stilgebendes Element eingesetzt. Die Schwierigkeit liegt also darin, in diese Umgebung Wärme zu bringen: Materialien und Gestaltungstricks, die sich eignen.

#1 Die Umgebung zitieren

Natürlich lohnen sich die großen Fenster vor allem dann, wenn es draußen etwas zu sehen gibt – das Meer, wilde oder auch gezähmte Natur. Wie im Beispiel von den Architekten des südafrikanischen Studios Saota (→ lesen Sie hier mehr darüber) schafft es eine tolle Atmosphäre, wenn Einrichtungselemente die Farben der Landschaft reflektieren und damit eine optische Verbindung bringen. Außer vielleicht im Baumhaus kann man kaum näher an der Natur zu leben.

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Die schwedische Designerin Anna Gidlöf entwirft für ihr Label Storpov Design Mobiles und Wanddekorationen, die genau diesen Naturfeel herein holen. Hier inszeniert in ihrem eigenen Zuhause im grünen Nordosten des Landes.

Schön und einfach umsetzen lässt sich das Prinzip mit Vorhängen, deren Kolorit, Dessin oder Struktur den Außenraum nach innen verlängern und damit nicht wie Fremdkörper im kubischen Gebäude wirken.

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Kongeniale Farbigkeit: Teppich, Polsterbezüge und Vorhang (Jacquard Tilia von Kobe) zitieren die Szenerie vor der großen Fensterfront.

So einfach und doch so effektvoll: Selbst ein einzelner Teppich kann den Unterschied machen. Hier wird deutlich, wie wichtig die passende Farbigkeit ist, damit die Landschaft vor dem Fenster der Hauptdarsteller im Design bleibt.

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Marokkanischer Teppich von Tigmi Trading

#2 Den Beton und harte Linien austricksen: Stoffe, Holz, Naturstein

Die wichtigste Maxime ist ein ausgeglichener Mix von verschiedenen Materialien, die der geradlinigen Architektur die Strenge nehmen. Besonders Holz – auch großflächig an der Wand ist ein gutes und gerade sehr beliebtes Mittel, um Wärme zu suggerieren.

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Einen gekonnten Holz-All-Over-Look mit einem starken Kontrapunkt, der in Naturfarben gepolsterten Eckbank, kreierte Interiordesignerin Constanze Ladner (Foto: Svetlana Shadrina)

Eine farblich zurückhaltende, sehr gelungene Komposition im modernen Raum kreierten die Interiordesigner von Black & Milk in einem Londoner Apartment. Schneeweiße Wände werden von sanften Beige- und Rosé-Tönen, dunkleren Akzenten in Form von Kunstwerken, viel Holz und viel Struktur eingefangen.

Ein beliebtes Mittel, selbstreferenziell mit Architektur umzugehen ist die Offenlegung des Baustoffs Beton. Doch leider ist das nicht nur cool, sondern auch kühl. Wer ihn dennoch sichtbar machen will, kann mit Hölzern und starken Stoffstrukturen einen schönen Gegenpol schaffen.

Mindestens genauso wichtig und effektvoll wie Holz oder Stoffe: Pflanzen! (Bild und Möbel: Kettal)

#3 Unterschätztes Stil-Element: Stoffe

Allen, die es nicht glauben mögen, sei verraten: Auch die moderne Bauweise verträgt Vorhänge, gerne auch gemustert (siehe Beispiel unter #1). Gerade wenn sie die klaren Linien unterstützend brechen, komplettieren sie das Gesamtkonzept und können auch akustisch kleine Wunder wirken.

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Doch viel Stoff heißt nicht nur Vorhänge. Für eine Züricher Wohnung gestaltete die britische Designerin Sandra Hinton ein elegantes Schlafzimmer mit Strukturtapete, samtenem Betthaupt und unterschiedlich gemusterten textilen Accessoires – ein Ausgleich zu geraden Linien und Spiegelflächen (Foto: Martin Guggisberter)

DECO-Tipp: In den aktuellen Kollektionen gibt es zudem zahlreiche Stoffe, die nicht nur farbenfroh und gemustert, sondern auch aus nachhaltigen Materialien gefertigt sind.

#4 Farben halten die Gestaltung zusammen

Ist Sichtbeton die Wandgestaltung der Wahl, können kräftige oder dezente Farben helfen, in der modernen offenen Architektur Bereiche zu definieren. Ohne dass sie den Eindruck der Weitläufigkeit beeinträchtigen, tragen Farben dazu bei, dass Blicke verweilen dürfen und die Gestaltung mit Möbeln nicht beliebig wirkt.

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Wer nicht die gesamte Wand streichen möchte, inszeniert Farbe als Kunst. Hier im Kyle Bay-Projekt des australischen Interiordesigners Greg Natale.

Einrichterin Kate Challis wiederum strich den Bücherregal-Hintergrund in einem tiefen Petrolton (→ Die ganze Homestory lesen Sie hier).

Foto: Charyn Cairns

Doch Farben müssen nicht immer auf und an den Wänden bespielt werden. Eine mittlerweile wieder sehr beliebte (und übrigens auch akustikfreundliche) Variante sind auffällige Teppiche. Style-Tipp: Der oder die Farbtöne der Wahl unbedingt in Kissen und Co. wiederkehren lassen.

#5 Keypieces inszenieren

Ein weiteres Mittel, um die klare Linie aus der Monotonie zu führen sind starke Stücke, die durch Material, Kolorit oder Form Aufmerksamkeit ziehen und ähnlich wie die Wandfarbe einem Raum Tiefe verleihen und ihn definieren.

2019 legte Cassina den Capitol Complex Chair wieder auf, der einst eigens für Le Corbusiers außerordentliches Bauwerk Capitol Complex im indischen Chandigarh entworfen wurde. Vor wenigen Jahren adelte die UNESCO jenes zum Weltkulturerbe.

Insbesondere beim beliebten All-Over-Look in Weiß sollte man Stücke inszenieren, an denen das Auge hängen bleibt. Ein passendes Material ist Leder – am besten in der zeitgemäßen cognacfarbenen Variante anstatt Schwarz. Wenn dann auch noch Teppich, Kissen oder Plaids dezent gemustert sind, wird auch steriles Reinweiß eine Bühne der Gemütlichkeit.

Den Vorteil von einer oder mehreren Holzwänden wurde oben bereits ausgeführt. Gemeinsam mit wohl platzierten Möbeln, gerne auch mal vor der weiten Fensterfront, schaffen sie gemütliche Zonierungen in der wändearmen Weitläufigkeit moderner Architektur.

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Gepolsterte und auch mal farbige Möbelstücke verleihen dem Raum Struktur. DECO-Tipp: Starke Farben unbedingt mehrmals aufgreifen, wie in diesem Beispiel vom süddeutschen Möbelhersteller Kettnaker mit schwarzen Akzenten.

#6 Moderne Architektur und Natur

Seien wir mal ehrlich: Moderne Architektur wird nicht nur gebaut, um belebt, sondern auch um angeschaut zu werden. Besonders spektakulär wirkt eine wilde Landschaftsarchitektur vor der Tür, die einen Kontrapunkt zur Strenge des Baus setzt und ihm damit einen schönen Rahmen gibt.

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Ob das Basket Sofa von Gubi vor oder hinter der Tür steht, ist Ansichtssache. Auf jeden Fall wurde die Natur in die Architektur integriert. Oder umgekehrt.

Auch darf moderne Architektur schon an der Außenhülle natürlich daherkommen, was die harten Linien schon beim ersten Blick bricht. Freilich lässt sich dieser Faktor schwer im Nachhinein hinzufügen.

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Für einen harmonischen Look, der den architektonischen Highlights Raum lässt, sollten auch die Polsterstoffe der Outdoormöbel farblich abgestimmt werden. Hier auf einem Daybed der Serie Aikana vom italienischen Hersteller Fast.