Mitten in der „heißen Phase“ ihrer Renovierung einer viktorianischen Wohnung in Notting Hill warf Innenarchitektin Amanda Hoyle ihre durchdachten Pläne um – und verwirklichte eine spontane Eingebung. Warum? Erzählt sie hier.
Wenn Amanda Hoyle im Esszimmer ihrer Wohnung steht, muss sie heute noch über dessen Entstehungsgeschichte lachen. Denn ursprünglich war der kleine Raum im Erdgeschoss des 140 Quadratmeter großen Apartments als Arbeitszimmer gedacht. „Eines Abends – wir waren schon mitten in der Renovierung – standen wir in diesem Zimmer und waren fasziniert von den atemberaubenden Glasfenstern der benachbarten Kirche, die bei Nacht beleuchtet waren. In diesem Moment wurde mir klar, dass dieser Raum für mehr bestimmt war. Er sollte ein Ort sein, an dem man Gäste empfangen, eine Flasche Wein trinken und mit Freunden essen kann. Wir entschieden uns, den kleinen Raum durch eine Bankettbestuhlung zu maximieren und ihn in einen idealen Essbereich zu verwandeln. Selbst die durchdachtesten Pläne sollten Flexibilität und Entwicklung als Teil des kreativen Prozesses zulassen.“

Die Essecke, die eigentlich ein Arbeitszimmer werden sollte
Interessanter Mix: historische Elemente und moderne Akzente
Dass die Wohnung in einem klassischen Stadthaus mit Stuckfassade aus den frühen 1900er Jahren ihr Zuhause werden sollte, war der Gründerin von Sey Studios und ihrem Partner Oliver Friesen sofort klar. „Wir waren begeistert von den ursprünglichen viktorianischen Merkmalen und dem bezaubernden Blick auf die benachbarte St. Peter’s Church, ein Wahrzeichen von Notting Hill.“

Amanda Hoyle in ihrer Küche. Die Arbeitsplatte besteht aus Porzellan, das Marmor nachempfunden ist. Der Küchenblock wurde aus Eichenholz maßgefertigt und in einem Walnuss-Ton gebeizt, um einen Kontrast zu den cremefarbenen Schränken zu schaffen
Der historische Charme des Hauses macht dessen außergewöhnlichen Charakter aus. Und so setzte Amanda alles daran, die originalen architektonischen Elemente zu erhalten und in den Fokus zu rücken, wie beispielsweise den Kamin, die Kacheln und die Gesimse. Dazu kombinierte das Paar einen eklektischen Materialmix, bei dem natürliche Materialien im Vordergrund stehen. Für den modernen Touch sorgen frische Farben, extravagante Textilien und ganz viel Kunst.
Feminin-künstlerische Vibes
Inspiriert von der künstlerischen Atmosphäre in Notting Hill, stellte Amanda Werke aufstrebender Künstler für das Apartment zusammen. Dabei legte sie den Fokus auf Kunstwerke, die sich mit feministischen Themen befassen, wie z. B. Alba Hodsolls Strichzeichnungen über den weiblichen Körper. Dazu kommen eine außergewöhnliche Sammlung von Künstlerinnen wie Colette LaVette, Rebecca Sammon und Ha Hoang sowie Antiquitäten von Unternehmen, die von Frauen geführt werden, wie Maude Vaughan Interiors und Anna Unwin. Warum? „Ich habe das erste Jahrzehnt meiner Karriere in der Technologie- und Unterhaltungsbranche verbracht – beides männerdominierte Bereiche – und habe aus erster Hand erfahren, mit welchen Herausforderungen weibliche Kreative konfrontiert sind“, erklärt Amanda. „Diese Erfahrung hat meine Leidenschaft für die Förderung von Frauen gestärkt, als ich in die Innenarchitektur wechselte und Sey Studios gründete. Bei jedem meiner Projekte hebe ich bewusst weibliche Talente hervor.“

Zieht die Blicke im Wohnzimmer auf sich: ein Foto von Max Miechowski. Pouf bezogen mit einem Stoff von Dedar.
Mut zur Farbe – und wie man sie richtig einsetzt
Gekonnt hat Amanda bei der Altbau-Renovierung ein ausgewogenes Verhältnis von neutralen und kräftigen Farben geschaffen. Als Hauptfarbe wurde „Pointing“ von Farrow & Ball gewählt. Amandas Tipp: „In Räumen, in denen man dezente Töne wie beispielsweise dieses warme Weiß verwendet, streicht man am besten alles in der Farbe – Decken, Fußleisten und Wände. Das ergibt einen modernen Look.“

Hund Salami liegt auf der Couch, über der ein Kunstwerk von Philip Maltmann thront. Für die Kissen wählte Amanda den Stoff „Bon Marché“ von Claremont – ein Ausdruck ihrer Leidenschaft für Leopardenstoffe.
Die Akzentfarben wurden von Philip Maltmans Kunstwerk „XIX3“ inspiriert, das eine vielfältige Palette von Rot-, Grün- und Blautönen aufweist. „Wir mochten Maltmans Werk so sehr, dass wir ein maßgeschneidertes Kunstwerk bei ihm in Auftrag gaben, das wir in unserem Wohnzimmer aufhängen wollten. Dabei verwendeten wir sogar das gleiche Blau wie in unserer Essecke, um die Konsistenz zu gewährleisten“, sagt Amanda. Die Rede ist vom auffälligen Ton „Kittiwake“ von Farrow and Ball. „In Anbetracht der geringen Größe des Raumes wollten wir eine dramatische Wirkung erzielen“, erklärt Amanda. „Der lebendige Raum, den wir geschaffen haben, steckt voller Persönlichkeit und ist eine unserer Lieblingsecken im Haus“.

Ein Hoch auf feminine Kunst: Alba Hodsolls Strichzeichnungen über den weiblichen Körper
Interior Design: Sey Studios (@seystudiosuk)
Fotos: Anna Stathaki (@annastathakiphoto)
Styling: Anna Sheridan (@annasheridan_creative)