Unter dem Motto „unterschätzte Citys für den nächsten Trip“ wollen wir Ihnen in Zukunft deutsche Städte vorstellen, die touristisch gesehen mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Warum das keine rein subjektive Sicht ist, erzählen wir hier mit wenigen Worten, aber richtig vielen Bildern. Kultur, Shopping, Hotel- und Einkehr-Tipps: alles dabei.
Könnte es einen besseren Start in die Serie geben als die Stadt, die es angeblich gar nicht gibt? Schon seit Jahrzehnten verschlägt es uns immer wieder an den Rand des Teutoburger Waldes für einen kreativen und mittlerweile freundschaftlichen Austausch mit dem hier ansässigen Textilverlag JAB Anstoetz. Von Bielefelds Historie als Stadt der Leinenweber zeugen nicht nur der Interiorstoff-Riese oder das Denkmal am kleinen Platz hinter der Nicolaikirche, sondern auch die in Deutschland eher seltenen Hochschulstudiengänge für Mode. Einige Absolventen sind geblieben, mit eigenem Label und Laden.

Die architektonisch schöne und überraschend vielfältige Altstadt kreist um den Alten Markt, hier geschmückt zum alljährlichen Großspektakel: dem Leineweber Markt, in 2025 fünf Tage ab 28. Mai
Was uns noch gefällt: Bielefeld hat zwei Gesichter. Die architektonisch weniger attraktive Bahnhofstraße entlang sammeln sich die Fußgängerzonen-Flaggschiffe dieser Welt. Südlich des Jahnplatzes aber, um den berühmten Alten Markt sowie links und rechts der Altstadt, lädt eine Vielzahl kleinerer, unabhängiger Geschäfte zum Stromern. Dazu Cafés und Restaurants, die auch dem kosmopolitisch geschulten Designgeschmack standhalten. Das gibt’s doch gar nicht? Lieber mal nachschauen.
Stadtansichten beim Citytrip Bielefeld
Geradezu lässig: das Leineweber Denkmal hinter der Nicolaikirche
Auch nicht schlecht: Impression vom Ubahn Abgang am Hauptbahnhof
Gruß aus der Moderne: die
Kunsthalle Bielefeld. Von Mitte März bis Juni 2025 zu sehen: „Play, Life, Illusion“, eine umfassende Retrospektive des Bauhaus-Studenten Xanti Schawinsky. (Artur-Ladebeck-Straße 5)
Wer museumstechnisch noch nicht ausgelastet ist, kann im nahe gelegenen Herford das
Marta erkunden, noch bis 23.3. läuft die Ausstellung über den Designer Luigi Colani. Sehenswert ist allein schon der fantastische Bau von Frank Gehry. Hier im Vordergrund: Sessel
Nimbo von BW Bielefelder Werkstätten.
Neben den Vorstellungen kann auch das Bielefelder
Stadt-Theater in einem Bau von 1904 per Führung erkundet werden. Brunnenstraße 3-9, neben dem Rathaus am Rande der Altstadt
Nach einem kurzen und doch strammen Marsch aufwärts hat man die Stadt im Blick ...
... und die Sparrenburg im Rücken.
Der zentrale Jahnplatz trennt den rein ästhetisch gesehen nicht immer gelungenen nördlichen Teil der Innenstadt vom historischen Kern.
Überraschendes in der Unterführung: Gedichte zum gepflegten Kurz-mal-Innehalten. Arndtstraße, unter der B61
Grafische Qualitäten haben die Ränge der Schüco Arena, Heimstätte der Arminia Bielefeld. Leere Ränge sieht man hier allerdings selten: Die Kicker können sich auch in der dritten Liga auf treue Fanmassen verlassen.
USP im Arena-Vergleich: Eine lange Graffitigalerie, gespickt mit Insider-Anspielungen, heitert die Spielpausen auf.
Wenn's kulturell etwas anspruchsvoller zugehen darf, liegt ganz in der Nähe das Konzerthaus
Rudolf-Oetker-Halle. Der Bau von 1930, ein herausragendes Beispiel der Neuen Sachlichkeit, ist noch heute beinahe im Originalzustand. (Lampingstraße 16)
Ebenfalls im Westen der Stadt, einen weiteren Katzensprung entfernt, liegt der schöne Siegfriedplatz mit seinen bunten Häusern. „Er ist eine große Anlaufstelle für Bielefelder bei tollem Wetter. Hier werden Flohmärkte veranstaltet und lange Sommerabende genossen“, sagt Fabienne Nöding vom Bielefelder Textilverlag JAB Anstoetz.
Fröhlich geht es hier auch am Markttag zu.
Die Gegend rings um den Siegfriedplatz ist eine bunte Mischung aus cool-urbanen Zwischenwelten, wie hier ...
... und unerwartet schönen Ansichten.
Und gar nicht so selten wird man hübschen Hauseingängen ästhetisch beglückt.
Übernachten: ein Hotel und ein Place to Stay
Richtig schön schmausen: Restaurants und Cafés
Hier nicht abgebildet, aber dennoch eine Einkehr wert: auf einen Flat White bei Deppe & Co. direkt am Alten Markt vorbeischauen oder auch zum Dinner bei Glück und Seligkeit in der Nähe der Dr. Oetker Welt. Sehenswert ist dieses Restaurant schon allein wegen des Settings in einer entsakralisierten Kirche (Artur-Ladebeck-Straße 57).
Eine architektonische Ikone im Bielefelder Restaurant-Business: das
Kachelhaus am Mirabellenplatz.
Das Interior kann als alternativ-eklektisch durchgehen, aber der Kaffee aus der italienischen Siebträgermaschine ist hervorragend.
Eine Straße weiter, direkt hinter der Charlie Gastrobar (siehe unten) finden Unschlüssige viel Auswahl im Food- und Bar-Court
Harms Markt. (Ritterstraße 8)
Tried and tested: Fotografin Mareike Böhmer im kleinen und wunderbar authentischen
Sushi Kometsu. Oberntorwall 3
Natureis aus der lokalen Manufaktur gibt's in den warmen Monaten bei
Madeleine's am Klosterplatz 5. Direkt nebenan: die clean-coole Kaffeebar
Venue.
Und gegenüber können Fine Dining Fans ...
... den Meistern in der offenen Küche des
Restaurant Gui zuschauen. (Gehrenberg 8)
Gegenüber punktet das
The Bernstein weniger durch sein kulinarisches Angebot als den fantastischen Rundum-Blick über die ganze Stadt.
Würden wir aber einen Preis für das schönste Restaurant der Stadt vergeben, könnten echte Decohomies nur einen Sieger küren: Direkt gegenüber des Kachelhauses, also mitten in der Altstadt, fängt die Charlie Gastrobar mit tollen Stoffen (etwa von Nobilis und JAB), gemusterten Tapeten, eigens entworfenen Möbeln und fein gesetztem Witz die Blicke und Herzen ein. Für so viel Mut gibt’s hier von uns die eigene kleine Bildergalerie:
Shoppingtour von West nach Ost
Nach dem Kaffee bei Deppe & Co. bietet es sich an, nebenan das passende Tassen-Souvenir zu kaufen:
Portofino Ceramica am Alten Markt
Wer vom Alten Markt den Gehrenberg entlangschlendert, kann einige schöne Geschäfte im
Quartier 5 entdecken. Zu unseren Favoriten gehört
Brevi Manu mit zum Teil kitschig-coolen Schreibwaren, Papeterie und dem ein oder anderen exklusiven Designstück, wie uns Inhaber Clemens Hein verriet.
Ein Stück weiter bieten die Modedesignerinnen von Hindahl & Skudelny Business- und Freizeittaugliches mit guten Schnitten (links, Gehenberg 26). Um's Eck, am Niederwall 8, zeigt Friederike von Müller mit ihrem charmant benannten Label Puddingtown Couture-Unikate sowie Ausgewähltes von der Stange (rechts).
Ein Paradies für Vanillagirls und Skandifans ist dagegen der Concept Store Edel Weiss Interieur (Am Bach, Innenhof 10). Hinweis: Das Ladengeschäft befand sich während des Shootings im Umbau und kann heute verändert aussehen.
Östlich der Altstadt, in der Ravensberger Straße 47, gibt's in der Boutique Tragbar modern geradlinige Designs, geschneidert von ausrangierter Herrenmode. Tipp am Rande: Die freigelegten Stellen der Lutter (hier vorne im Bild) sind im Sommer ein beliebter Treffpunkt für Einheimische.
In der Parallelstraße führt Sunčana Dulić vom Atelier D ein anspruchsvolles Konzept zwischen Kunst und Couture. (Rohrteichstraße 30)
Doch auch der Westen der Stadt hält ein paar Shoppingschmankerl bereit, allen voran das Vintage Wunderland Design Scout, Große-Kurfürsten-Straße 44. Tipp: Die Möbel können auch geliefert oder gleich online bei
Pamono geshoppt werden. Wir finden aber: Einmal reinschauen und staunen ist unersetzbar.
Schaufenster, die uns hier entzückt haben: das Keramikstudio
Hello Clay (links, Große-Kurfürsten-Straße 67) und ein feines Motto bei der Designagentur
Büro Paschetag (Arndtstraße 24)
Alle Fotos: Mareike Böhmer