Interiordesignerin Barbara Falanga zeigt in einer wunderschönen Villa hoch über dem Comer See, wie abwechslungsreich eine monochrome Einrichtung sein kann.
Es gibt hier einhundert Stufen. Keine Zufahrt, keinen Aufzug, nein, hundert Schritte bergauf muss jeder machen, der zur Villa Bambù will. So ist das eben an den Hängen rund um den Comer See. Es ist eigentlich kein Platz für Häuser, trotzdem wurden dem Berg Terrassen abgetrotzt, denn für die Aussicht hier oben würde man sogar freiwillig auf einem Bein stehen.
„Allora, es war ein Desaster! Alles musste neu gemacht werden“
Ein bisschen mehr Platz aber wünschten sich die neuen Eigentümer doch, als sie vor ein paar Jahren das kleine – noch namenlose – Haus am Hang kauften. Deshalb suchten sie bei der befreundeten Architektin Barbara Falanga um Hilfe an. Die Fachfrau stellte schnell fest, dass die Frage nach mehr Platz erst mal nicht die dringendste war: „Allora, es war ein Desaster! Alles musste neu gemacht werden, außen, innen, der Garten. Das Haus war lange Zeit unbewohnt, es war regelrecht verfallen.“
Für die leidenschaftliche Architektin war diese reizende Ruine oberhalb des Örtchens Faggeto Lario trotzdem ein Glücksfall. Denn die neuen Eigentümer, zwei Kreative aus Mailand, ließen ihr beim Umbau überwiegend freie Hand, ihre Wünsche deckten sich mit der Stilsprache der weit gereisten Architektin: Zeitlose Schönheit sollte entstehen. Ein Haus, das ganz der Harmonie und Entspannung dienen würde, ganz Luft und Licht wäre – umgeben von einem kleinen, wilden Zaubergarten.
Wohnen weiß: Eine gelungene Verbindung von Struktur und Farbe
Auffällige Designmöbel oder kühne Architektur war also nicht gefragt, stattdessen vergrößerte Falanga bei der Renovierung die Wohnfläche nur behutsam auf 250 Quadratmeter und widmete einem Hauselement besondere Aufmerksamkeit, das sonst oft ein Nischendasein fristet: der Treppe.
Sie verbindet heute alle drei Etagen und wurde von dem Künstler Andrea Salvetti nach Falangas Vorgaben gefertigt – als eine raffinierte, schwerelose Metallkonstruktion, bei der einige Elemente sehr glaubhaft Bambusstäben und Schilfrohren nachempfunden sind. Das prägte nicht nur die romantisch-leichte Atmosphäre des Hauses, sondern gab ihm auch seinen Namen. Zur Treppe gehört noch eine maßgefertigte Leuchte, die sich als elegante Blütenranke von oben nach unten windet, eine poetische Licht-Liane. Die Räume selbst komponierte Falanga in meisterhafter Zartheit und erhabener Stille: Weiß und Blau als einzig zulässige Farben, dazu suchte sie träumerisches Mobiliar aus vergangenen Epochen zusammen.
Ein Hang zur Geschichte
Auch die gemeinsame Vorliebe von Bauherren und Architektin für Arbeiten des italienischen Kultdesigners Piero Fornasetti passte in den klassischen Rahmen. Die auffälligen Werke finden sich heute als Blickfang in den Räumen, genau wie die gerahmten Stücke antiker Seide, die auf die Geschichte dieses Ortes zurückgehen: Die Gegend am Comer See war und ist bis heute ein Zentrum hochwertiger Seidenproduktion.
Neben solchen kunstvollen Referenzen legte Falanga bei der Ausstattung viel Wert auf die Haptik der verwendeten Materialien und Werkstoffe. Alte Keramik, Leinengewebe, die sich vor den Fenstern im Aufwind bauschen, in Würde gealterte Korbmöbel oder Stuckelemente für die Decken – mit solchen Kniffen gelang die liebevolle Wiederbelebung des Hauses. Die Bewohner, die häufig zwischen Mailand und Paris pendeln, sollten hier schnell zur Ruhe kommen.
Glaspalast über dem Comer See
Die größte Veränderung im äußeren Erscheinungsbild war der Bau eines „Konservatoriums“, für das der Begriff Wintergarten tatsächlich zu banal wäre. Die fragile Konstruktion aus Glas und Eisen war schon deshalb ein ungewöhnlicher Schritt, weil solche Erweiterungen in Frankreich und Großbritannien verbreitet sind, in Norditalien aber eher exotisch wirken. Doch alle Beteiligten wollten dieses Experiment wagen – nicht zuletzt, um ein bisschen mehr Wohnfläche zu gewinnen. Der Anbau schafft heute die Verbindung zwischen Villa und Garten und ist mit seiner stilvollen Atmosphäre genau der richtige Platz, um die spektakuläre Landschaft und die milden Winter zu genießen.
„Erst damit ist es eine Art französisch-englische Villa aus den 30ern geworden!“, schwärmt Falanga und man versteht es, wenn sie sagt, dass sie sich in ihrer Arbeit eher der Kultur verpflichtet fühlt als irgendeinem bestimmten Stil – oder einem Auftraggeber. Mit den beiden Hausherren und der Villa Bambù stimmte die Chemie. Das sieht man nicht nur, man spürt es – bei jedem einzelnen der hundert Schritte.
Text: Julia Strauss, Fotos: Filippo Bamberghi/©photofoyer
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