Es gibt viele Möglichkeiten, sich auszudrücken. Bei Chris Glass ist sein Weg vom Musiktheater zur Einrichtung daher mehr als schlüssig. Hier können Sie einen Blick hinter die Kulissen und in das Zuhause des Wahlberliners werfen.

Das nötige Selbstvertrauen

„Dass ich etwas mache, was anderen auch gefällt, wurde mir erst bewusst, als Bilder meiner Wohnung in einer Zeitschrift erschienen“, erinnert sich Chris Glass. „Von überallher riefen mich Freunde an und sagten: Mensch, sieht das toll aus bei dir, wir mögen deinen Style.“ Das positive Feedback gab ihm das Selbstvertrauen, einen neuen Weg zu beschreiten. Mal wieder. Eigentlich sollte man meinen, dass er davon mittlerweile schon genug gehabt haben müsste – vom Selbstvertrauen. Schließlich war der gebürtige Amerikaner nach einem Musiktheater-Studium am Boston Conservatory nach New York gezogen, wo er in den unterschiedlichsten Jobs glänzte, um seine künstlerische Laufbahn zu finanzieren.

Berliner Luft

Die Arbeit für einen Onlineshop führte ihn von rund zwanzig Jahren nach München. „Doch das war mir auf Dauer etwas zu ordentlich“, wie er es charmant umschreibt. Und so zog er 2009 weiter nach Berlin, für ihn der Ort in Deutschland, wo man sich freier ausprobieren kann. „Berlin repräsentiert für mich Deutschland als Nation und ich finde es toll, dass man hier einfach weiß, was man bekommt, und alles funktioniert. Auch wenn es manchmal etwas leidenschaftlicher sein könnte“, grinst er. Schon lange ist Chris Glass beim Soho House, seineszeichens erster Members Club in Europa, tätig. Eigentlich ist der Mann der perfekte Performer. Doch ist gerade seine Berührbarkeit eine seiner wichtigsten Qualitäten, die ihn trotz aller Erfolge immer wieder sich selbst hinterfragen lässt. „Ich frage mich ständig: Wer bin ich und was will ich?“ Zuhause definiert Chris daher als jeden Ort, wo er ganz bei sich sein kann.

Ab vom Trubel

Der Wunsch nach einer Wohnung als Rückzugsraum ließen ihn vier Stockwerke ohne Aufzug in Berlin-Mitte erklimmen. „Zuvor hatte ich in einer Hochparterrewohnung nicht weit vom Soho House gewohnt. Doch das war mir zu nah dran am Geschehen“, erinnert er sich. In den Räumen seines neuen Domizils konnte sich Chris den Ort schaffen, an dem er nach seinen vielen Reisen, die ihn beruflich und privat um den ganzen Globus führen, zur Ruhe kommt. „Hier kann ich mein Haar runterlassen, wie man im Englischen dazu sagt. Auch wenn ich gar keine habe“, lacht er.

Der Chris Glass Style

Ein wohlig-dunkles Grün empfängt ihn bei jeder Heimkehr im Flur. „Das fühlt sich an wie eine Umarmung“, erklärt Chris. „Beim Einrichten ist es wie beim Tanzen: Du musst deinen eigenen Ausdruck finden.“ Gleich einem Szenenwechsel folgen im Wohnraum hellgrau lackierte Holzdielen und ein Wandanstrich in Betonoptik, kontrastieren Samtsofa, Ledersessel, Glastischchen und ein weicher Teppich die schlichten Metallregale. Gibt es einen cosy Industrial Style? Hier wohnt jemand, der sich nicht in gängige Schubladen fügen lässt.

Ein ganz persönlicher Mix, der Wegners „Wishbone Chair“ um einen Tisch mit Marmorplatte vor einem Sideboard mit Hausbar platziert und damit einem skandinavischen Ensemble rauchig-maskulines Flair verleiht. Jemand, der unsere Sehgewohnheiten mit gekonnten Brüchen aus der Lethargie reißt. So auch im Schlafzimmer in softem Mauve zu Bettüberwurf und Teppich im Ethno-Look. Und dann der Mix aus Reisesouvenirs wie einem Geweih aus Bayern, kleinen Keramikhäuschen aus Bodrum und Werken junger Künstler, überwiegend aus Berlin.

Der Kreis schließt sich

„Erst mit dem Vertrauen in mich und meinen Style konnte ich diesen auch zelebrieren“, erklärt Chris das harmonische Ergebnis. Um seinen Stil, junge Künstler und weitere Entdeckungen auch anderen zugänglich zu machen, gründete er die Event und Lifestyle-Location aptm – a place to meet, die wie ein privates Apartment gestaltet ist, deren Einrichtung man jedoch kaufen kann. Doch längst hat sich Chris weiterentwickelt, richtete unter anderem Ferienhäuser in Brandenburg ein. Was nicht von ungefähr kommt: „Mein Papa war Florist und meine Mama lud gerne Freunde und Bekannte ein. Sie haben ständig neue Häuser angeschaut und davon geträumt, wie es wäre, dort zu wohnen. Das hat mich schon geprägt“, erzählt er. „Für mich schließt sich somit ein Kreis.“ Und es scheint, als trüge seine eigene Geschichte den Titel: Von einem, der auszog, um heimzukommen.

Text: Friederike Mechler
Fotos: Line Klein / Living Inside