Zum Kinostarts der Dokufiktion „E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer“ wollen wir die Gelegenheit nutzen und Ihnen die Architektin und Designerin sowie die Geschichte ihrer legendären Villa einmal näher bekannt machen.

Heute hängt Eileen Grays Porträt im National Museum of Irland (Foto: Berenice Abbott)
Eileen Gray selbst hat einmal gesagt, sie hätte keine Wurzeln, aber wenn, dann wären sie in Irland. Dort ist sie 1878 geboren und lebt den Großteil ihrer Kindheit in Wexford, bevor die Familie nach London zieht. An der Slade School of Art startet sie 1898 ihre Karriere mit einem Kunststudium, zu einer Zeit in der Studieren noch für die wenigsten Frauen möglich war. Anschließend geht es für sie nach Frankreich, in Paris findet sie ihre Wahlheimat. Ihren Drang nach immer neuem Wissen verwirklicht sie in weiteren Studien, der Arbeit für den japanischen Lackkünstler Seizo Sugawara und später auch im Selbststudium der Architektur.
Kinostart „E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer“
Der Film ist benannt nach einer ihrer bekanntesten Arbeiten, dem Haus E.1027 an der Côte d’Azur. Unter der Regie von Beatrice Minger erzählt er die bewegte Geschichte des Sehnsuchtsorts, den Gray ohne Kompromisse für sich selbst gestaltet. Und wie der davon faszinierte Le Corbusier im wahrsten Sinne versucht, ihren Erfolg zu übermalen.
Nice to know: Den Namen des Hauses hat Eileen Gray an ihre Initialen und die ihres damaligen Partners Jean Badovici angelehnt, daher auch die Sprechweise „E ten-two-seven“, wobei die Zahlen für J-B-G nach ihrem Platz im Alphabet stehen.
Alle Kinos, die den Film zeigen, finden sie →hier.
Was wir über die tragische Geschichte von E.1027 wissen
Doch zur Zeit der Fertigstellung, nach drei Jahren Bauzeit, hatte sich das Paar bereits getrennt und Gray die Villa ihrem Verflossenen zum Geschenk gemacht – betreten hat sie ihr Werk nie wieder. Was als Traum zweier Liebender begann, entwickelt sich zum Drama. Badovici lädt seinen Freund Le Corbusier ein, der zum großen Entsetzen Grays die Wände in einem kreativen Wutanfall mit einer Reihe halb-abstrakter, teils erotischer Motive bemalt. Fotografien zeigen Le Corbusier nackt beim „Beschmieren“ der Wände. Zeitweise wird die Villa E.1027 deshalb sogar als Entwurf Le Corbusiers angesehen.
Doch was veranlasst den großen Architekten zum Kunstvandalismus am Werk seiner ehemaligen Schülerin? Dass sie nicht getreu dem Gedankengut des großen Meisters weiterarbeitet, sondern sich einen eigenen Ansatz erlaubt, der in seiner Modernität den Lehrer geradezu in den Schatten stellt?
Während Corbusier mit seiner Idee der „Wohnmaschine“ eine beliebig multiplizierbare funktionale Wohneinheit entwickelt, versteht Eileen Gray ihr Haus als organisches Gebilde, gleich einer Schale des Menschen – ganz auf seine individuellen Bedürfnisse ausgerichtet. In den 1950er Jahren baut Le Corbusier seine legendäre Blockhütte Le Cabanon gleich daneben, will auch die Villa selbst erwerben, was jedoch nicht gelingt. Heute sind beide Bauten Teil des Touristen zugänglichen Cap Moderne Komplexes.
Ihrer Zeit voraus
Trotz ihrer frühen Erfolge im Möbeldesign, als Galeristin in Paris und mit ihrer Architektur, geriet Eileen Gray für einige Zeit in Vergessenheit. Erst in den siebziger Jahren wurde sie als einflussreiche Modernistin wiederentdeckt und ihre Möbelentwürfe wieder produziert. Heute wird sie für ihre detailorientierten Designs gefeiert, viele werden noch immer unverändert von Classicon produziert und haben Klassikerstatus erreicht, so wie der „Adjustable Table E1027“ oder „Bibendum“.
Seit 1978 – zwei Jahre nach ihrem Tod – steht im New Yorker Museum of Modern Art der „Adjustable Table“, aktuell sind noch drei weitere ihrer Originalentwürfe dort zu sehen. Auch das irische Nationalmuseum zeigt seit dem Erwerb ihres Archivs Anfang der 2000er eine Dauerausstellung. So ist sie zumindest auf diese Weise in ihr Heimatland zurückgekehrt.
Das Vitra Design Museum zeigte Grays Werke neben anderen weiblichen Designikonen in der Ausstellung „Here we are“: →ein digitaler Rundgang