Der Mitbegründer der renommierten Ippolito Fleitz Group zeigt in seiner Stuttgarter Gründerzeitwohnung, wie federleicht und emotional eine (sehr) sorgfältige Planung wirken kann. Ein Lehrstück über das wunderbare Wechselspiel von Kunst und Design.

„Wissen Sie, das ist wie mit Menschen, die man kennenlernt. Eine interessante Persönlichkeit hat immer irgendwie Ecken und Kanten. Eine vollkommen stromlinienförmige Person vergisst man in der Regel schnell wieder.“ Architekt Peter Ippolito und Textildesigner Stefan Gabel haben ihren Stuttgarter Altbau mit so vielen markanten Ecken und fein geschwungenen Kanten ausgestattet, dass es schwerfällt, den Blick ruhen zu lassen. Völlig absichtlich, versteht sich. Ihr Zuhause sehen sie als Collage, Erinnerungscontainer, Wunderkammer. Einen Ort, dessen Inszenierung im wahrsten Sinne verwundert.

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Wobei sich der entdeckungsreisende Gast womöglich mehr darüber wundert, wie etwas so durchkomponiert und nonchalant zugleich sein kann. Das sei eben, was gute Innenarchitektur, eine gute Planung ausmache, sinniert Peter Ippolito. Wenn der Mitbegründer des berühmten multidisziplinären Architekturstudios Ippolito Fleitz das sagt, ist die Sache allerdings niemals so eindimensional, wie sie klingt. Weil die wichtigste, vielleicht einzig wichtige Zutat gelungener Planung die Identität ist. Sie setzt sich zusammen aus vielen kleinen Dingen. Fundstücken aus vergange­nen Zeiten, Ideen und Wegbegleitern, die ihren Platz finden wollen.

„Zimmerdecken sind die vergessene Oberfläche der Moderne.“

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„Mein Partner Stefan und ich sind seit mehr als 20 Jahren zusammen und schätzen sehr, was wir aneinander haben. Wir reisen ja wahnsinnig viel und sind geübt, Dinge zu sehen. Unsere Blicke ergänzen sich. Wir genießen es, gemeinsam durch die Welt zu gehen, und das spiegelt unsere Wohnung auch wider.“ Mannshohe Holzpferde im Flur, Zacken und Spitzen, die sich an Kreisformen reiben, Velours neben Leder, Spiegelflächen, die Fluchten eröffnen, und überall Kunst: Die Persönlichkeiten, die hier zusammenkommen, müsste man nicht getroffen haben, um sie interessant zu finden.

So wird eine Einrichtung zum Konzept

Dabei sei es eine Frage von Feingefühl, wie man die jahrelang gesammelten Bruchstücke zum Ganzen fügt. Zur sorgfältigen Planung gehöre auch ein atmosphärischer Teil, wo man auf Dinge reagiert, ein Thema weiterspinnt, variiert und in verschiedenen Bereichen noch einmal aufnimmt. Das könne ein Layout, Möbel oder Farbkonzept sein, eine Reflexion oder die Energie einer Linie.

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Ippolito erklärt das Prinzip am Wesen seines Esszimmers, des „textilen Raums“ der Wohnung. Auf dessen Seidentapete sammeln sich Artefakte aus allen Winkeln der Welt: afrikanische Flechtsachen neben indischer Seide, laotischen Dokumenten oder Kunstobjekten aus Usbekistan. Das Klavier auf der einen Raumseite wird referenziert durch einen Schrank an der Wand gegenüber, den Ippolito und Gabel mit schwarzem Hochglanzlack überziehen ließen. Die Musterung auf den Schranktüren wiederum ähnelt der afrikanischen Kunst darüber. Auch eine Seite des Palisanderholztisches wurde mit schwarzem Lack aufpoliert.

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„Daraus ergibt sich natürlich ein Sprung zwischen diesen Dingen, es spannt den Raum auf. Ohne dass das jetzt vordergründig wäre, aber das planen wir. Das ist nichts, was einfach passiert.“ So werden auch die markigsten Charaktere zu Teilen einer Geschichte, die ohne einen egozentrischen Protagonisten auskommt. Erzählt wird viel, doch leise genug und niemals zu deutlich.

Die Kunst gekonnter Übergänge

Die wahre Kür aber findet statt, wo der fein austarierte Mikrokosmos eines Raumes auf den nächsten trifft. Erst recht in einer obskur geschnittenen Gründerzeitwohnung mit traditionell zahlreichen Türen. Hier treten die leuchtenden Farben und großen Formen des Wohnzimmers der Feingliedrigkeit des Esszimmers selbstbewusst entgegen. Anstatt harmoniebedürftig vorzugehen, setzte Ippolito also auf Reibung – ein weiteres zentrales Thema in allen seinen Designüberlegungen.

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Reibung sei etwas Wunderbares, weil sie Aneignung schaffe und Gestaltungschancen. Eben das, was stromlinienförmigen Persönlichkeiten fehlt. „Jeder kennt Häuser, die er an irgendeiner Ecke komisch findet. Über die denkt man lange nach, muss mehr Energie reinstecken, um sie gut hinzubekommen. Das sind dann oft die Dinge, die man am Schluss am meisten liebt. Weil sie einen fordern. Es ist ganz einfach: Reibung schafft Identität.“

Fotos: Eric Laignel

www.ifgroup.org