Dass er mal im Stall seines Urgroßvaters leben würde, hätte der Architekt Alfredo Vanotti als Kind nicht gedacht. Die Geschichte eines verwegenen Umbaus.
Manchmal ist es das Weniger, das kreative Köpfe inspiriert. „Die Abgelegenheit, in der wir hier leben, erlaubt es mir, in totaler Entspannung und der Stille der Natur zu arbeiten. Meine Tochter liebt es.“ Lautes Muhen und Gegacker sind in seinem Haus schon lange nicht mehr zu hören – das Gebäude wurde einst als Kuh- und Hühnerstall genutzt. „Als Kind habe ich meinem Urgroßvater hier immer gerne bei der Arbeit zugeschaut und versucht, ihm zu helfen“, erzählt Alfredo Vanotti.
2016 entschied er, den Stall, der sich in der kleinen Gemeinde Piateda in der Lombardei befindet und 30 Jahre lang leer stand, selbst zu nutzen. Sieben Monate dauerte der Umbau, seitdem lebt er hier mit seiner mittlerweile zwölfjährigen Tochter Eva und arbeitet in seinem Architekturstudio EV + A lab, das nur ein paar Stufen treppab im Erdgeschoss liegt. „Mein Ziel war es, das Heimkommen zum Vergnügen zu machen, jede kleine Ecke zu genießen und entspannt zu gestalten.
„Ich wollte mich an die Vergangenheit erinnern und manchmal auch wieder Kind sein.“
So gelingt der Stall Umbau zum Wohnhaus
Den ursprünglichen Charakter des Gebäudes zu bewahren, war ihm immens wichtig. Zum Glück erwies sich die Struktur der alten Steinmauern als tadellos. Nur das Dach musste repariert werden – einfach ersetzen wollte er es nicht. „Die Holzbalken
und -träger konnten wir erhalten, die Bretter der originalen Holzverkleidung musste ich akribisch aufarbeiten. Dann haben wir das Dach gedämmt und das alte, rostige Wellblechdach wiederverwendet.“ Innen wurde der Putz der alten Steinmauern abgeschlagen, eine Fußbodenheizung eingebaut und neuer Betonboden gegossen. „Die Idee war, das vorhandene Gebäude zu respektieren, daher war es richtig, die traditionellen Materialien und Farben zu verwenden“, erklärt Alfredo.
Wie kommt Wärme in die alten Mauern?
Um für die kalten Winter gerüstet zu sein, ließ er im Wohn- und Essbereich einen selbst entworfenen, raumteilenden Kamin, einen Heizofen und im gesamten Haus doppelt verglaste Fenster einbauen. „Die Öffnungen des Originalbaus wurden dabei erhalten und die Fenster- und Türrahmen innen angebracht, um der Fassade mehr Tiefe zu verleihen.“ Die Fläche von 60 Quadratmetern blieb in zwei Räume unterteilt – Küche und Wohnzimmer gehen offen ineinander über.
Raum im Raum: der verglaste Badkubus
Ins Schlafzimmer ließ der Architekt einen verglasten Badkubus einbauen, „um den etwas reduzierten Raum zu erweitern“. Eine Schiebetür, die passend zum alten Gemäuer aus schwarzbraun geräuchertem Holz gefertigt wurde, trennt das Wohnzimmer vom Schlafraum. Weitere Türen ließ Vanotti nach dem Vorbild alter ländlicher Häuser wiederherstellen.
Eingerichtet ist sein Wohngeschoss spärlich, aber mit ausgewählten Stücken, an denen der Blick hängen bleibt. Darunter das leuchtend blaue Samtsofa „La Michetta“ von Gaetano Pesce mit asymmetrischer Chesterfield-Steppung, Leuchtenklassiker der Brüder Castiglioni, ein messingfarbener Couchtisch von Serena Confalonieri, der an einen Ring mit Edelstein erinnert, und ein gemütlicher Beni-Ouarain-Teppich von Altai. Dazu kombiniert Vanotti schwarz lackierte Vintage-Stühle, ein Gamsfell und einen einfachen Holzschemel im Schlafzimmer sowie einen Bettüberwurf aus grob gestrickter Wolle.
Seine eigene Küche zu designen, ließ er sich nicht nehmen. „Ich koche gerne – am liebsten mit hochwertigen, unverarbeiteten Produkten. Beim Entwerfen hatte ich eine einfache, sehr flexible Küche im Sinn.“ Heraus kam eine messingfarben lackierte Kücheninsel aus Eisen, die in einen ebenfalls messingfarbenen Esstisch übergeht.
Sein Lieblingsplatz zum Relaxen liegt gleich daneben. „Abends sitze ich gerne am Kamin, das entspannt.“ Und was kommt ihm heute in den Sinn, wenn er an seinen Urgroßvater denkt? „Ich fände es schön, wenn er dieses Projekt hier hätte sehen können.“
Mehr Info: EV + A lab, www.alfredovanottiarchitetto.it
Fotos: Monica Spezia