Gibt es noch Neuerungen im Design und braucht die Welt ständig neue Stuhl-Entwürfe? Mit einer Installation in der Neuen Sammlung München stellen sich Hella Jongerius und Louise Schouwenberg dieser Frage. Ihre Antwort: Ja, ABER…

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Ausstellung „Beyond the New“ in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne München

In einer zehnmonatigen Installation bespielen nach Werner Aisslinger und Konstantin Grcic nun Hella Jongerius und Louise Shouwenberg die Paternosterhalle der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne München. Wie in ihrem kürzlich erschienen Buch setzt sich das Damen-Duo auch hier kritisch mit der Frage nach Neuem im Design auseinander.

„Jedes Design erzählt etwas über seine Zeit, über Herstellungsarten und Moralvorstellungen“

 
Das Neue sei vor allem ein Marketingtool der Industrie, sieht Hella Jongerius beim Public Talk zur Ausstellung mit Dr. Angelika Nollert, Leiterin der Neuen Sammlung, den Begriff heute missbraucht. Mit ihrer Installation hinterfragen die Niederländerinnen die ewige Wiederkehr des Gleichen, indem sie einen neuen Blickwinkel provozieren: Designklassiker sind flach auf dem Boden angeordnet, ikonische Stuhl-Designs im Wechsel von Licht und Schatten neu beleuchtet und ihre Bauteile werden von einer Maschine in Wörter übersetzt.
„Jedes Design erzählt etwas über seine Zeit, über Herstellungsarten und Moralvorstellungen. Die werden sichtbar, sobald man den Gegenstand aus seinem gewohnten Kontext nimmt,“ erklärt Louise Schouwenberg.

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Designklassiker „Carlton“ von Ettore Sottsass flach auf den Boden gelegt

Hella Jongerius übt deutliche Konsumkritik: „Alles, was wir machen ist letztendlich neu, produziert wird allerdings nur das, wofür es auch einen Markt gibt. Entscheidend ist unser Umgang damit.“ Die Designerin und die Designtheoretikerin sind sich einig, dass in Zeiten der Massenproduktion die persönliche Haltung und bewusstes Konsumverhalten immer wichtiger werden. Mit der Ausstellung möchte sie Konsumenten zum Nach- und Umdenken bringen:

„Jeder kann Einfluss nehmen.“

Auf Stoffbahnen haben die Designerinnen Fragen aus dem Manifest gedruckt. Textilien seien deshalb Mittel der Wahl, weil in einer Stoffbahn zwar alle Farben miteinander verwoben sind, aber nur der Faden, der an die Oberfläche geführt wird, einzeln zur Geltung kommt, begründen sie. Diese Metapher für ihre Auffassung von gutem Design unterstreicht Louise Schouwenberg: „Ein Designer sollte seine Inspiration nicht im Design suchen.“

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Text wird zu Textur, wobei auch das lateinische Wort für weben „texere“ die Vielschichtigkeit betont

Über Hella Jongerius und Louise Shouwenberg

Seit ihrem 2015 publizierten Manifest gegen die schnelle Konsumkultur, tritt Industriedesignerin Hella Jongerius, Kreativ Direktorin beim Kultlabel Vitra, für mehr Qualität in Entwurf und Fertigung ein. Louise Shouwenberg studierte Psychologie und Kunst, bevor sie sich ganz der Kunst- und Designtheorie verschrieb. Sie ist unter anderem Dozentin an der renommierten Design Academy Eindhoven.

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Louise Schouwenberg, Hella Jongerius und Dr. Angelika Nollert beim Public Talk in der Neuen Sammlung München

Die Installation „Beyond the New“ ist bis zum 9. September 2018 in der Neuen Sammlung München zu sehen. Mehr Informationen, Öffnungszeiten und Eintrittspreise gibt’s auf der Homepage der Neuen Sammlung.
Fotos: Roel Van Tour