Was erwartet man hinter einer klassischen Tudor-Fassade im noblen Londoner Stadtteil Chelsea? Wohl kaum ein ultramodernes Interieur mit zahlreichen Kunstobjekten, außergewöhnlichen Möbeln und einem großen Familienbereich. Genau dieser Stilbruch zeichnet die Arbeiten von Innenarchitektin Shalini Misra aus, die das viktorianische Haus im Auftrag eines Kunden komplett renoviert hat. 

Ein altes, klassischen Haus im viktorianischen Stil in ein komfortables, luxuriöses Heim mit Platz für Kunstwerke und die ganze Familie zu erschaffen – so lautete der Auftrag, den Shalini Misra von einem ihrer Kunden erhielt. Um dies zu realisieren, ließ die Innenarchitektin das 205 Quadratmeter große Haus in Chelsea komplett umbauen und verändern – bis auf die Fassade. Diese wurde im traditionellen Stil belassen, sodass der Überraschungseffekt beim Betreten des Hauses noch größer ist.

Die Treppe als Statement

Um ein zeitgemäßes Wohnen zu ermöglichen, setzte Shalini Misra auf große Räume, viel Stauraum, behagliche Rückzugsmöglichkeiten und eine neue Terrasse. Highlight und Eyecatcher ist neben den zahlreichen Kunstwerken die markante Treppe. Sie verbindet alle Geschosse, lässt Luft und Licht zirkulieren. Die Treppenwand vereint die vier Stockwerke optisch mit handgefertigten Spezialputzen in einem Muster aus linearen und kreisförmigen Formen, inspiriert von Ben Nicholsons Reliefarbeiten aus den 1930er Jahren.

Highlight: die Treppe im Gio Ponti-Design mit lederverkleideten Balustraden und Stufen aus Nussbaumholz

„Ich liebe es, aus einer Treppe ein Feature zu machen und Farben auf interessante Weise zu kombinieren“, sagt Shalini Misra. Generell fasst die renommierte Innenarchitektin ihren Stil folgendermaßen zusammen: „Eine tiefe Liebe und Bewunderung für das Handwerk zeigt sich in all meinen Projekten mit maßgefertigten Möbeln, Möbeln und Oberflächen. Upcycling ist auch immer präsent, wenn ich mir die vorhandenen Möbel der Kunden ansehe, um sie in das neue Schema zu integrieren. Dies beinhaltet das Restaurieren, Neulackieren, Lackieren und Neupolstern, um die Lebensdauer eines Möbelstücks zu verlängern. Außerdem gehören Vintage-Beleuchtungen und -Möbel zu jeder meiner Arbeiten. Bei der Gestaltung von Innenräumen stehen das Geschichtenerzählen und das Wohlfühlen der Kunden im Mittelpunkt. Es kommt immer darauf an, wie die Kunden leben, welchen Lebensstil sie haben und wie sie ihre Räume nutzen.“

Shalini Misra vor der Relief-Wand des Treppenhauses

Kunst trifft Farbe

Eine sehr große Rolle im Haus in Chelsea spielt die Kunst. Die riesige Sammlung des Hausherren sollte auf allen Ebenen und in allen Räumen zu sehen sein. Hinzu kommt eine große Vorliebe der Eigentümer für Farbigkeit, was Shalini Misra sehr begrüßte.

Kunst, wohin das Auge reicht: Sogar an der sieben Meter hohen Hofmauer sind Werke zu sehen

Wie geht die Innenarchitektin an das Thema Farben und Stoffen heran? „Es beginnt mit der gewünschten Stimmung und Atmosphäre des Raumes. Wenn es sich um einen Raum handelt, der für Unterhaltung genutzt wird, wähle ich oft kräftige, warme Farben und Muster. Wenn es sich um einen ruhigen Raum wie ein Schlaf-, Bade- oder ein Arbeitszimmer handelt, sind die Farben und Muster mit vielleicht ein oder zwei Schwerpunkten durch Muster und Textur eingeschränkter. Ich neige dazu, Muster bei Tapeten, Möbeln sowie Kissen und Teppiche beizubehalten. Oft greife ich zu strukturierten Stoffen für die Polsterung, da sie ein sehr haptisches Element hinzufügen. Velvet ist auch oft auf unseren Moodboards, da es so luxuriös aussieht und sich auch so anfühlt.“

Markant: Ein ausgeklügeltes System aus Kupferwürfeln und Nischen schirmt den Eingangsbereich ab

Inspirieren lässt sich Shalini Misra bei ihren Arbeiten gerne von der Handwerkskunst, der Natur und natürlich auch von Kollegen. Vor allem am Anfang ihrer Karriere hat sie Frank Lloyd Wright stark beeinflusst. „Ich mag die Art und Weise, wie er Gebäude entworfen hat, die von den Mustern der Natur inspiriert und mit tiefem Respekt für die Umwelt und die Menschheit in die Natur integriert wurden. Und auch die Art und Weise, wie er natürliches Licht entworfen hat. Seine Werte und Liebe zum Detail haben bei mir als Vorbild für den Projektansatz wirklich Anklang gefunden“, erzählt Shalini Misra.

Private Rückzugsräume zum Wohlfühlen

Um das Haus in Chelsea familien- und alltagstauglich zu machen, hat Shalini Misra alle Schlafzimmer vergrößert. So hat jedes Familienmitglied seine eigenen Rückzugsmöglichkeiten. Außerdem wurde das Untergeschoss zum reinen Familienbereich umgestaltet, während das Erdgeschoss als Empfangsbereich für Gäste dient.

Dass Bauherrn zunehmend auf Privatsphäre und Wohlfühlatmosphäre Wert legen, hat Shalini Misra in den letzten Monaten verstärkt beobachtet. „Wellness steht jetzt im Mittelpunkt aller Projekte. Wie wir uns in einem Raum fühlen, wie er unser Leben einfacher und angenehmer macht, ist der Schlüssel zu unserem Wohlbefinden. Flexiblere Bereiche für die Schaffung von privaten Zonen, für das Arbeiten von zu Hause aus und offene Zonen für das Familienleben werden in das Zuhause integriert. Das zunehmende Interesse an der Wirkung von Farben, Mustern und Düften, die früher oft als Nebensache angesehen wurden, fließen nun stark in das Design ein. Außerdem spielen Pflanzen im Innenbereich eine große Rolle. Im Wesentlichen geht es bei der Gestaltung von Innenräumen nicht nur darum, wie sie aussehen, sondern ein Gesamterlebnis zu schaffen, das aus Ideen und Konzepten abgeleitet wird, die unser Wohlbefinden steigern, damit wir gedeihen können. Dies ist definitiv eine spürbare Veränderung in der letzten Zeit.“

www.shalinimisra.com

Fotos: Mel Yates
Text: Stefanie Wolf