Er verkörpert den einmaligen Charakter und die unverkennbare Form apulischer Architektur: der Trullo. Der Renovierung eines ganzen Trulli-Komplexes – ganz im Einklang mit der Natur – hat sich das einheimische Architekturbüro Flore & Venezia angenommen. Das Ergebnis: eine runde Sache!

 

Bauanleitung für einen Trullo: Man kreiere ein Rundhaus, bestücke es mit einem sich verjüngenden Steindach und setze ihm einen Zippus (symbolischer Schlussstein) auf

Architektur von Einheimischen für Einheimische

Natürlich können sich Architekten mit viel Recherche und langjähriger Erfahrung in Lokalkolorit und traditionelle Bauweisen einarbeiten. Einfacher ist es jedoch, gleich ein einheimisches Büro zu beauftragen, das die Besonderheiten eines Projekts mit natürlichem Selbstverständnis und Liebe zur Heimat umsetzt. Auch deshalb fiel die Wahl auf das Architekturbüro Flore & Venezia. Ihre Mission: Die Renovierung des Trulli-Komplexes „La Cipressa“ in der Gemeinde Ostuni, Teil der apulischen Provinz Brindisi.

Kennen Ostuni wie ihre Westentasche: Aldo Flore und Rosanna Venezia

Einfache Bauweise, komplexes Umfeld

„La Cipressa“ sollte gleichzeitig traditionelle Architektur und modernes Design verkörpern und zudem stark in den Dialog mit seinem Umfeld treten. Allerdings nicht nur in Bezug auf die harmonische Optik, sondern auch hinsichtlich der Eigenschaften des Komplexes. Denn seit Jahrhunderten hat sich der Anspruch an die Funktionalität der Trulli nicht verändert: extremen Naturkräften standhalten zu müssen. Im Sommer bieten die dicken Wände Schutz vor Hitze, außerdem wirken sie Abkühlungen durch Temperaturschwankungen und Wind entgegen. Ein weiterer Clou: kostbares Regenwasser wird aufgefangen und auf den Dächern wurde nebenbei noch Obst und Gemüse getrocknet.

 
 
 

Ein ausschlaggebender Faktor zur erfolgreichen Requalifizierung des Projekts stellte die Materialauswahl dar. Aldo Flore und Rosanna Venezia verwendeten unter anderem Kalkstein, Harz, Eisen und bearbeiteten Tuffstein aus der Region. Das Spiel mit den Kontrasten zwischen Metall und weißem Mauerwerk ist zwar hart, verwandelt sich aber durch Elemente wie Holz und Textilien in Beige und Grau sowie Natursteinen in eine harmonische Komposition.

 
 
 

Unbehandelt, unbeschichtet, unbedingt natürlich!

Trulli sind aus einfachstem Baumaterial und mörtellos errichtete Häuser. Der verhältnismäßig kleine Eingang eines Trullos tut dem scheinbar nahtlosen Übergang von draußen nach drinnen jedoch keinen Abbruch. Fenster, die normalerweise die Natur in den Wohnraum holen, sind traditionell allerdings kein fixer Trullo-Bestandteil.

Trulli waren früher nicht nur Behausungen, sondern dienten auch als Speicher

Für die sanfte Passage ist nicht nur die Homogenität der lokal bezogenen Materialien verantwortlich, sondern auch die von der Natur inspirierten Farben und Formen der teils antiken Einrichtungsobjekte. So entschied sich das Architektenduo beispielsweise für Fir Italia-Armaturen aus natürlichem Messing, die weder behandelt noch beschichtet wurden und so eine oxidierte Optik erhalten.

 
 
 
 
 
 
 

Eine Überraschung mag sein, dass der Grundriss der Trulli quadratisch ist. Viereckige Formen finden sich – neben Bögen – außerdem häufig als Nischen und Öffnungen im Mauerwerk, wobei dieses bei Flore und Venezia im wahrsten Sinne des Wortes in die Verlängerung geht. Getüncht wird es Teil des Mobiliars, beispielsweise im Wohnbereich in Form eines Sofas und im Schlafzimmer als Nachttisch.

 
 
 

Fotos: Claudio Palma

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