Was bestimmt unsere Bedürfnisse? Welche Auswirkungen hat das auf  die Art, wie wir heute und morgen wohnen? Darüber sprachen wir mit der Trendforscherin Oona Horx-Strathern.

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Die Britin mit irischem Pass beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit den großen Zukunftsfragen der Gesellschaft und Wirtschaft. Foto: Klaus Vyhnalek

Frau Horx-Strathern, gibt es überhaupt den einen aktuellen Wohntrend oder ist es wie in der Mode: Jeder macht, was ihm gefällt?

Ich würde sagen: mehr oder weniger. Wir leben in einer Designdemokratie. Gutes Design ist für fast alle erschwinglich geworden. Inzwischen haben wir auch viel mehr Wissen und einen direkteren Zugang als noch vor einigen Jahren. Das macht das Wohnen heutzutage so lebendig und schön. Besonders interessant finde ich die Tendenz zum „autobiografischen“ Wohnen, so nenne ich es. Das heißt, die Menschen trauen sich immer mehr, ihren eigenen Geschmack einzubringen. Früher hatte man das Sofa, den Schrank, den Tisch immer an der gleichen Stelle, alles passte zusammen. Man fühlte sich an einen Stil gebunden. Heute werden eigene Ideen mutiger eingebracht. Der Stil ist eher eine Mischung. Man hat Sachen aus verschiedenen Epochen. Vielleicht ein geerbtes Biedermeier-Sofa von Oma und dann aber eine supermoderne Küche.

Wohnen ist also nicht mehr so sehr repräsentativ, sondern ein Erfüllen von Bedürfnissen?

Ja, von individuellen Bedürfnissen. Ich glaube, das liegt an der Mobilität. Wir sind oft weg von unserem ursprünglichen Zuhause, von unserer Heimat. Wir ziehen um für Ausbildung, Job oder Beziehung. Das Zuhause, auch wenn es nur eine temporäre Wohnsituation ist, hat dann eine viel größere Aufgabe. Das ist fast wie ein Gegentrend zur Mobilität. Je mobiler wir sind, desto größer wird das Bedürfnis, sich auch irgendwo wirklich geborgen zu fühlen. Letztes Jahr haben alle von Hygge geredet. Das ist die Fortsetzung von Cocooning. Es geht darum, sich einzumummeln und das Zuhause-Gefühl zu verstärken.

„’We need home to remember, who we are‘, habe ich in einem Buch gelesen. Damit wir nicht vergessen, wer wir sind.“

 

KönneSie uns mehr über die Wohnmaterialien der Zukunft erzählen?

In dieser Zeit der Digitalisierung und auch der Ökologie werden wir achtsamer, wie uns die Materialien um uns herum beeinflussen. Wir denken neu über das Leben nach, über Werte und auch über das, was wir kaufen. Wir wollen wissen, woher die Sachen kommen, wer sie gemacht hat. Immer mehr Firmen handeln nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Da geht es um die Recycelbarkeit oder dass man Produkte wieder verwerten kann ohne einen großen CO2-Footprint. Ich beobachte, dass die  Menschen gezielter auswählen und  „Heldenmaterialien“, so nenne ich sie, den Vorzug geben.

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via Tubes

Heldenmaterialien?

Ja, das sind die recycelbaren und die allgemein umweltverträglichen Materialien. Und auch die veganen. Das klingt natürlich ein wenig bizarr. Man kennt den Begriff eigentlich vom Essen. Das Hilton Hotel in London ließ die erste vegane Suite gestalten. Kein Leder, sehr warm, keine Federn, keine Wolle. Viel Ananasfaser, Baumseide. Das zieht auch Menschen an, die eigentlich keine Veganer sind. Viele denken wahrscheinlich, vegan sieht häss­lich aus, dass alles nur mit Stroh und in Braun eingerichtet ist. Aber das stimmt nicht. Es gibt auch ein veganes Hotel in Schottland mit interessanten Materialien, sehr bunt, sehr lebendig. Es ist schön zu sehen, wie man diesen Trend leben kann.

Interview: Ulrike Wilhelmi

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