Am Stadtrand Kopenhagens richtete Julie Brandt Dam ein Refugium ein, das nicht farbig ist, nicht der klassische Skandi-Style, aber äußerst elegant.
Es ist sicher nicht so, dass Julie Brandt Dam sich gelangweilt hätte. Im Gegenteil: Als Designerin und Mutter von drei Söhnen zwischen acht und 15 Jahren waren ihre Tage in Kopenhagen seit jeher zu kurz. Doch bei diesem Haus am Stadtrand konnte sie schon den Eckdaten nicht widerstehen: Wohnfläche 500 qm, Baujahr 1885, renovierungsbedürftig. Letzteres hätte manche vielleicht abgeschreckt. Für Julie lag genau darin der Reiz.

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150909julie-brandt0030843-1

Interiordesignerrin Julie Brandt

Von Beginn an war ihr Leben mit Design und Ästhetik verknüpft: Ihre Eltern sind die bekannten dänischen Modedesigner Margit und Erik Brandt. Wenn sie von ihrer Kindheit erzählt, fallen Begriffe wie Antiquitäten-Auktionen, Kunstausstellungen und Fashion-Shows. Guter Geschmack ist bei ihr also Erbanlage und deshalb hatte sie keine Angst, sich große Ziele zu stecken. „Die Idee war, das Haus wieder in eine klassische Villa aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts zu verwandeln“, sagt sie über ihren dringenden Wunsch, noch eine Baustelle in ihrem Leben aufzumachen.

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0260848-1

Cremetöne und Holz schaffen den passenden Übergang zum lichten Wintergarten.

Während der letzten hundert Jahre hatte das stattliche Anwesen seinen Charme eingebüßt, weder originale Fenster noch besondere Fassadenelemente oder Details waren erhalten geblieben. Carte blanche für eine Frau mit festem Gestaltungswillen. Als Kreativdirektorin ihres JB Design Studios entwickelt sie Konzepte für die Fashion- und Lifestylebranche, Designideen verwirklicht sie mit ihrem Interiorlabel Rue Verte. Die Villa am Stadtrand sollte ihr Meisterstück und Aushängeschild werden. Schon die Vorgabe für den Umbau klang kompliziert: französisches Landhaus mit zeitgemäßen dänischen Elementen.

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0070844-1

Stilistischer Coup im Esszimmer: Den taupefarbenen Streifen über der Holzvertäfelung zieren frei angeordnete runde Spiegel ...

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0090845-1
 
julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0170847-1

Die auf das Samtsofa von Meridiani abgestimmten Kissen stammen aus Julies eigenem Designstudio. Dazu stylte sie Bilder des deutschen Künstlers Martin Liebscher, in Kopenhagen vertreten durch die Martin Asbæk Gallery 

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0140846-1
Ein kleiner Arbeitsplatz im Wohnzimmer,  mit Blick auf dem Wintergarten, sorgt für den perfekten Workflow
julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0320842-1

Nordlicht statt Südstaatensonne: Der Wintergarten lebt von entspannt-exotischer Eleganz. Rollos unter der verglasten Decke schützen vor Hitze


Die stilistische Grenzlinie zog sich dabei direkt durch ihre Ehe: „Ich neige oft zu einem sehr modernen Stil und möchte etwas vollkommen Neues erschaffen. Mein Mann dagegen ist detailverliebt und mag den klassischen französischen Stil.“ Einig war sich das Paar nur darüber, dass am Ende kein neues Haus dastehen sollte, voll mit neuen Dingen. Alles, was über die Schwelle kam, sollte Geschichte haben. Deshalb stammen die Türen aus alten Gebäuden, etwa einem dänischen Herrenhaus bzw. Apartment in Kopenhagen, und wurden perfekt restauriert. Die drei Kamine sind entweder antik und original französisch oder von alten Steinsäulen aus Julies Elternhaus umrahmt.

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0530852-1

Rundum: Tapete von Nina Campbell im Gästebad

„Die Dinge sollten nicht nur alt aussehen, sie sollten auch alt sein – was ziemlich viel Arbeit war. Nach manchen Objekten haben wir monatelang gesucht, andere sind auf dem Weg von Frankreich nach Dänemark verloren gegangen, was dann wieder neue Herausforderungen mit sich brachte.“ Einige Möbel besaß Julie dagegen schon, als sie von dem Haus noch gar nichts ahnte – nur, dass es irgendwann in ihrem Leben mal den richtigen Platz dafür geben würde.

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0500853

Kühle Metalltöne und coole Schachbrettfliesen definieren die Küche

Neun Monate dauerte die Kernphase des Umbaus. In manchen Wochen arbeiteten bis zu 20 Handwerker gleichzeitig am Haus. Trotz Baustellenchaos und Komplikationen ließ sich das Paar nicht von seinen Gestaltungsideen abbringen. „Wir holten uns Inspirationen aus Büchern, Magazinen, von Anwesen im Ausland und orientierten uns an anderen alten Häusern, um sicherzustellen, dass der Stil auch in die Nachbarschaft passt.“ Ein gelungenes Beispiel für diese Stildiplomatie ist die Küche von Kitchen Tailor, salomonisch angesiedelt zwischen Julies Verlangen nach einem modernen Entwurf und der Vorliebe ihres Mannes für die charmanten Details einer Landhausküche.

julie-brandt-titelstory-wohngeschichte-decohome.de20150821julie-brandt0440850-1

„Wir wünschten uns ein Schlafzimmer wie eine gepolsterte Box“, erzählt die Interiordesignerin

Trotz seiner imposanten Ausmaße wirkt das Haus nach dem Umbau leichtfüßig, gleichzeitig lässt die schnörkelfreie weiße Fassade Assoziationen mit der maritimen Umgebung und dem klaren Licht des Nordens zu. Und in den Räumen spürt man eine skandinavische Moderne, die nichts Asketisches hat. Vielmehr zeigt sie in der Auslegung der Bauherren opulent-gemütliche Eleganz – mondän ja, aber nie übertrieben. Ein Familiendomizil, das auch eigene Geschichten erzählt. Die Villa als Testlabor, Weiterbildung und Beziehungsprüfstein in einem – und am Ende das, was Julie immer am wichtigsten war: ein guter Ort zum Leben.

www.rueverte.dk

Text: Julia Strauss / Malue Petersen | Styling: Pernille Vest | Fotos: Birgitta Wolfgang