Von Teheran bis Yazd – Lena Späth gewährt mit ihrem Buch „Behind Closed Curtains“ spannende Einblicke in die bisher unentdeckte Designszene des Irans. 
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Behind Closed Curtains: Iran Interiors

Eine Deutsche reist im Zuge ihrer Nahoststudien in den Iran und verliebt sich in das Land, bleibt eine Weile und kommt später immer wieder zurück. Gleichaltrig mit einer Generation junger Iraner, die vierzig Jahre nach der Revolution jenseits von Politik und dem Leben ihrer Eltern eine eigene Identität suchen, bewegt sich Lena Späth im Zenit des Umbruchs und erlebt, wie sich eine einst geschlossene Gesellschaft zu öffnen beginnt. Sie streift durch Teheran und klingelt an Türen von Häusern, die ihr von außen einen besonderen Eindruck machen.
Als junge deutsche Frau erscheint sie zwar fremd, aber vertrauenswürdig und Türen, die sonst verschlossen bleiben, werden geöffnet. Dahinter entdeckt sie Kleinode der Inneneinrichtung. Lena Späth baut Kontakte zur lokalen Interiorszene auf und beginnt vor Ort systematisch nach Beispielen für neues iranisches Design zu suchen. Ihr Buch „Behind Closed Curtains“ gewährt, wie schon der Titel verrät, einen Einblick in die sonst verschlossenen Privaträume im Iran, aber auch in eine heranwachsende persische Kreativszene, zu der man von außerhalb nur schwer Zugang findet, die jedoch im Westen mit wachsendem Interesse entdeckt wird.

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Lena Späth, 31 – Ihr erstes Buch „Behind Closed Curtains. Interior Design in Iran“ ist in acht Monaten entstanden. Die gebürtige Münchnerin hat einen Master in Nahoststudien und arbeitet gegenwärtig an ihrem zweiten Buch über Innenarchitektur im Iran, das voraussichtlich 2019 erscheinen wird.

Geschichte und Aufschwung des iranischen Stils

Die wohl bekannteste Designerin mit persischen Wurzeln ist die in Paris ansässige Innenarchitektin India Mahdavi. In Teheran geboren und in den USA sowie Europa aufgewachsen, hat Mahdavi vor allem 2014 mit der Gestaltung des Londoner Restaurants Sketch Gallery, für das sie ein monochromes Boudoir aus pinkem Velours mit akzentuierenden Kupferdetails entworfen hat, ein klares Statement zu ihrem Stil gesetzt. Dieser ist dekorativ, ohne zu verkitschen, narrativ, ohne zu dominieren, und ornamental, ohne an Funktion einzubüßen. Während der Westen seinen Wesenskern im Weglassen sucht, ist die Spezialität des Ostens das Kombinieren. Farben, Formen und Stile finden mit einer gewissen Sorglosigkeit zueinander, die sich ein westlicher Designer in der Regel nicht zugesteht. Von innen betrachtet und auf die tatsächliche Wohnkultur im Land bezogen, zeigt sich jedoch, dass der gestalterischen Opulenz eine Verknappung gegenübersteht, die ganz formale Gründe hat.
„Die wiederkehrenden Elemente des iranischen Einrichtungsstils gehen zurück auf die Materialien, die zur Verfügung stehen“, erklärt Lena Späth. „Erdtöne dominieren wegen des Lehms, aus dem die Häuser gebaut werden. Farbe kommt durch die landestypischen Deko-Objekte – Teppiche und Fliesen – in den Raum. Wie auch in der Architektur spielt Symmetrie eine wichtige Rolle. Die meisten Muster gehen auf einfache, archetypische Formen zurück, etwa den Kreis oder das Quadrat, aber auch auf klassische florale Themen. Die Farben sind dabei eine Interpretation der Natur, man greift das Blau des Himmels oder das Gelb der Sonne auf.

„Der iranische Stil ist simpel und gleichzeitig sehr detailliert“

 
Die Verknappung prägt nicht nur die Wahl der Materialien, sondern begrenzt auch ihre stilistischen Einsatzmöglichkeiten. „Die hiesige Interiorbranche bewegt sich noch nicht auf einem professionellen Level. Im Grunde gibt es zwei Branchen. Die einen richten modern ein und könnten von überallher sein. Und dann gibt es die wenigen anderen, die an einer eigenen Handschrift arbeiten. Diese sind aber noch ganz am Anfang, denn man kann im Iran erst seit etwa zehn Jahren Interiordesign studieren und die Ausbildung beruht noch stark auf westlichen Konzepten“, erzählt Lena Späth.
Eine ambivalente Situation, bedenkt man, dass der Iran ansonsten eher abgeschottet war vom Rest der Welt: weder kulturell sonderlich beeinflusst vom Tourismus, noch konnten aufgrund der Wirtschaftsrestriktionen ernst zu nehmende Handelspartnerschaften aufgebaut werden. Iranische Designer waren in Bezug auf ihre Bildung, die Produktion, das Material und die Kundschaft bisher vom lokal existierenden Markt abhängig. Dieser jedoch hadert mit der eigenen Kultur, die in der Vergangenheit von politischen Interessen beeinflusst wurde. Und genau hier steckt die Wurzel der aktuellen Veränderungen im Land, die den Iran jetzt so spannend machen.

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Irans Designs-Szene

Die Gestalter gehen heute in ihrer Recherche wieder deutlich zurück in die eigene Kulturgeschichte und haben gleichzeitig durch neue Technologien, das Internet und Kanäle wie Instagram, den Tourismus sowie die allgemeine Öffnung des Landes eine Verbindung zum Ausland. „Die Abschottung existiert nicht mehr“, erklärt Späth dazu. Sie erzählt vom Kommunikationsdesign-Studio Shizaru mit Büros im Iran und in den USA, die mit ihren Entwürfen das Dekorative in den Fokus stellen und bis auf seinen Kern reduzieren. Sie empfiehlt die Arbeiten von Mir Mola Soraya, einem Teppichmacher und Künstler, der den klassischen Kelim stilisiert und reinterpretiert. Ähnlich steht es mit der Möbelmarke Neshiman, die in ihrer Manufaktur in Shiraz auf 6000 Quadratmetern Möbel im Designkollektiv produziert.
Das ästhetische Ergebnis ist eine attraktive Mischung aus Ursprünglichkeit, charmanter Naivität und dem unbändigen Wunsch nach einer selbstbestimmten Kultur sowie danach, das Leben zu bejahen. Man merkt den Häusern in Späths Buch regelrecht an, wie ihre Bewohner mit gesundem und leidenschaftlichem Zorn die Vorhänge beiseiteziehen, um sich und anderen zu beweisen, wie wunderschön ihre Kultur ist – jenseits des globalpolitischen Schattens oder des Kitsches von 1001 Nacht. | Text: Fredericke Winkler, Fotos: Hamed Farhangi 
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Dieser Artikel erschien erstmals in DECO HOME 3/18

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