„Ultimativer Schärfetest ist, wenn die Haare am Unterarm nicht einfach nur abgeraspelt werden, sondern beim Schneiden weghüpfen.“ Zwei junge Quereinsteiger aus dem Chiemgau fertigen luxuriöse Schneidewerkzeuge aus Damaszener Stahl. Wie das aussieht und was dieses Material so besonders macht, erzählen wir Ihnen hier.
Die Tomate fällt auf die Klinge des umgekehrten Messers und in zwei Hälften auf den Tisch. Dieses Schneidewerkzeug ist scharf. Luca Distler und Florian Pichler sind zufrieden mit Demonstration und Produkt. Das Messer mit der dekorativ gemusterten Klinge aus Damaszener Stahl hat Luca Distler in der gemeinsamen Werkstatt geschmiedet, Florian Pichler den Griff gefertigt.
In Aschau am Chiemsee haben die zwei, die schon seit Kindertagen befreundet sind, mit ihrer Schmiede Messer-Werk die Leidenschaft zum Beruf gemacht. Beide sind Quereinsteiger, dennoch bringen sie für ihre jetzige Tätigkeit das nötige Rüstzeug mit, Distler als Kunstschmied, Pichler als gelernter Zahntechniker. Zu ihren Kunden zählen heute Jäger, Köche und Sammler auf der ganzen Welt. Jedes Messer wird individuell nach deren Wünschen und Bedürfnissen gefertigt.
Woher kommt eigentlich die Bezeichnung Damaszener Stahl?
Eine häufige Erklärung für die Bezeichnung Damaszener Stahl behauptet, dass Produkte aus dem gemusterten Schweißverbundstahl einst über Damaskus nach Europa gelangten. Dabei belegen Funde aus keltischer Zeit, dass seine Herstellung auch in Europa bereits lange Tradition hat.
Lediglich die vom arabischen Wort „Damas“ abgeleitete Bezeichnung, was so viel heißt wie Fließen und sich auf das geschwungene Muster bezieht, wurde vom orientalischen Stahl übernommen. Im Mittelalter bei uns als „wurmbunt“ bezeichnet, klingt Damaszener definitiv eleganter und auch passender: Bis heute gilt er als der Rolls Royce unter den Stahlen. Doch was genau macht ihn eigentlich so schön scharf?
So entsteht eine Klinge aus Damaszener Stahl
In der alten Hofschmiede befeuert Luca Distler die Esse mit feuchter Steinkohle. Beim Brennen schmilzt diese zusammen und erhält so die Hitze dort, wo sie gebraucht wird. Ausgangsmaterial sind zusammengeschweißte Stahlplatten harter und weicher Legierungen. So erhält man am Ende eine harte Schneide und flexible Klinge.
„Rein theoretisch kann man aus jedem Blech einen Damaszener Stahl fertigen, doch am Ende zählt die Qualität“
(Luca Distler)
Nach vielen Versuchen und Experimenten haben die beiden Präzisionsfanatiker eine eigene Rezeptur für ihren Gebrauchsdamast entwickelt, die natürlich ein wohl gehütetes Betriebsgeheimnis bleibt. Seine Werkzeuge hat Luca Distler großteils selbst gefertigt.
Mit kräftigen Hammerschlägen werden die Schichten des glühenden Metallblocks miteinander verbunden, ein Vorgang, der als Verdichten bezeichnet wird. Immer wieder wird der Stahlriegel zudem umgebogen und halbiert. 360 Lagen sind das Ziel. Erst das Verdrehen des Stahlriegels sorgt für die später sichtbare filigrane Musterung. Hieraus wird nun die Form der Klinge gefeilt und geschliffen.
Erst Säure macht das Muster sichtbar
Zum Härten wird die Klinge erneut erhitzt und im Ölbad abgeschreckt. Höhepunkt ist das Säurebad, in dem die verschiedenen Materialien unterschiedlich reagieren und das typische Muster des Damaszener Stahls sichtbar wird.
Auch der Griff ist Präzisionsarbeit
Ist die Klinge fertig, macht sich Florian Pichler daran die Backen (so heißen die beiden Teile des Griffs) aufzubauen, den Griff zu montieren und die Form herauszuarbeiten. Auch hier sind die Freunde äußerst anspruchsvoll, was Materialien und Verarbeitung angeht. Neben Holz werden Perlmutt, Elfenbein oder Tierknochen verarbeitet und auf Wunsch mit Gold- oder Silberverzierungen geschmückt.
Letzter Schritt ist dann das Schärfen. „Ultimativer Schärfetest ist, wenn die Haare am Unterarm nicht einfach nur abgeraspelt werden, sondern beim Schneiden weghüpfen,“ erklärt Luca Distler den vollen Körpereinsatz. Für die einfacheren ihrer Kochmesser benötigen die beiden rund 20 Stunden, bei aufwendigeren Modellen kommen schon mal 40 bis 60 Stunden Arbeitszeit zusammen.
Profi-Tipps zur Messerpflege
„Grundsätzlich handelt es sich bei unseren Messern ja um qualitativ absolut hochwertige Messer. Die Klingen haben, verglichen mit herkömmlichen Messern, eine sehr lange Schnitthaltigkeit und Standzeit,“ erklärt Florian Pichler. Und fügt hinzu: „Bei fachgerechtem Einsatz und Umgang haben unsere Messer das Potenzial ihre Besitzer zu überdauern.“
Generell gilt jedoch:
- Auf der richtigen Unterlage schneiden.
- Nach der Verwendung die Klingen mit klarem Wasser abspülen, abtrocknen und anschließend weiter an der Luft trocknen.
- Regelmäßige Schärfe-Erhaltungsmaßnahmen wie z. B. Abziehen an einem Wetzstahl.
Fotos: ©seifertuebler.com / Text: Friederike Mechler