Romantische Blumenkleider und grafisch gemusterte Herbst-Mode – H&M kollaboriert mit dem britischen Stoffhersteller GP&J Baker. Creative Director Ann Grafton erzählt, wie es zu dieser schönen Verbindung kam.
Die Traditionsmarke GP&J Baker ist bekannt für ihre Sammlung historischer Textildrucke. Heute gehört dem Unternehmen das wahrscheinlich größte private Archiv weltweit. Jetzt hat GP&J Baker seine Sammlung dem Fast-Fashion-Hersteller H&M für eine Kollaboration im Rahmen der aktuellen Herbst-Winter-Kollektion geöffnet. Die Kollektion ist ab sofort erhältlich und lässt die historischen Prints in ganz neuem Licht erscheinen. DECO HOME Freelancer Fredericke Winkler sprach mit Creative Director Ann Grafton über die Hintergründe.
Wie hat sich die Kooperation mit H&M gestaltet?
Als H&M letzten Herbst auf uns zukam, hatten sie schon eine sehr konkrete Idee von unseren Designs. Sie waren begeistert vom „Oriental Bird“. Wir sind dann in unserem Archiv auf die Suche nach weiteren Motiven für sie gegangen, die bisher noch nicht veröffentlicht wurden. Schließlich haben wir gemeinsam entschieden, welche Muster genommen werden. Es war eine sehr angenehme Zusammenarbeit.
Konnten Sie Unterschiede erkennen, wie Muster im Interior und in der Mode eingesetzt werden?
Eine interessante Erkenntnis der Zusammenarbeit war, dass H&M unsere Designs nicht stark bearbeiten musste. Gute Gestaltung ist offenbar auf viele Medien übertragbar. Darüber hinaus erkenne ich, wie stark sich die beiden Branchen Mode und Interior aufeinander zubewegen. H&M war zum Beispiel begeistert von unseren Farben und hat sie weitgehend übernommen, abgesehen natürlich von einigen Anpassungen an das Farbkonzept der Herbst-Winter-Kollektion 2018, in der Schwarz, Elfenbein, Blau und
Rottöne im Vordergrund stehen.
„Unsere Dessins einmal ganz anders eingesetzt zu sehen, hat uns auf eine wichtige Reise geschickt“
Wie hat H&M Ihre Dessins verwendet?
Eines ihrer bevorzugten Dessins, das „Hydrangea Bird“, haben sie sowohl in Orginalgröße auf einem Kleid, aber auch verkleinert, etwa auf Blusen, verwendet. Gemeinsam haben wir dann einige unserer klassischen geometrischen Dessins ausgewählt, die sie auf Pullovern und Blazern umgesetzt haben. Es war wunderbar zu beobachten, wie das Designteam von H&M unsere Muster auf die eigene Kollektion abgestimmt hat.
Mit welcher Absicht hat H&M die Kollaboration mit GP & J Baker wohl initiiert?
Unsere Muster gehen zurück auf eine Zeit, als Design noch eine Frage von Kunst und Handwerk war. Die Orginale sind Handdruckarbeiten. Jemand hat sich also die Mühe gemacht, diese wunderbaren Muster per Hand in Holz oder Linol zu gravieren und auf Stoff zu drucken – ein Prozess, der Monate dauern konnte. Die ursprünglichen Entwürfe tragen diese Geschichte, unser Erbe, in sich. Aus diesem Grund erfreuen uns diese Muster heute auch besonders.
Als das H&M-Designteam unser Archiv besucht hat, waren sie überwältigt von der Fülle handgewebter Paisleys, den Zeichnungen und den besonderen Farben. Sie haben sofort verstanden, dass dieses Erbe ihrer Kollektion eine ganz neue Relevanz gibt.
Warum sind historische Bezüge heute so wertvoll?
Ich glaube, Menschen sehnen sich in den heutigen schnelllebigen Zeiten nach Beständigkeit. Sie schätzen schöne Dinge, die bleiben, und begeistern sich daher beispielsweise für klassische Architektur. Menschen sind heute aufgrund ihrer Reisen und des Internets so vielen Einflüssen ausgesetzt und auch die Mode verändert sich rasant. Unsere historischen Motive wirken hier wie ein kurzer Moment des Innehaltens, der Bedeutsamkeit schafft.
Warum haben Sie sich als High-End-Marke einen Fast-Fashion-Anbieter als Partner ausgesucht?
Eine Absicht von uns war, ein breiteres und jüngeres Publikum zu erreichen. Wir hätten natürlich auch mit einer Luxusmodemarke kooperieren und eine limitierte Linie einer ausgewählten Öffentlichkeit zeigen können. Mich hat aber die Idee begeistert, Menschen Zugang zu unseren Designs zu verschaffen, die unsere Marke sonst nicht erleben würden.
H&M hat sich in der Vergangenheit durch zahlreiche Kooperationen mit renommierten Kreateuren als Meister der Verbindung von anspruchsvoll und erschwinglich erwiesen. Unsere delikaten Dessins einmal ganz anders eingesetzt zu sehen, hat uns auf eine wichtige Reise geschickt. Wir wissen jetzt, wie unsere Motive auf hochaktueller Mode aussehen, auf anderen Stoffen, als wir sie verwenden, und gedruckt mit anderen Print-Technologien.
„Als Marke mit langer Tradition müssen wir uns Marktveränderungen stellen.“
Was ist an dieser Reise so wichtig für Sie?
Kunden sind heute frei, ihren ganz eigenen Stil aus Produkten verschiedenster Herkunft und Preiskategorien zusammenzustellen. Sie kaufen nicht mehr segmentkonform. Dies kombiniert mit dem Fakt, dass der heutige Markt überfüllt ist mit Waren, stellt für jedes Unternehmen eine Herausforderung dar. Es ändert aber auch die Bedeutung von Design. Als Marke mit langer Tradition müssen wir uns diesen Marktveränderungen stellen und uns gleichzeitig immer vor Augen halten, worin unsere Stärke und Besonderheit liegt.
Wenn man sich allein die letzten zehn Jahre anschaut, sieht man, wie schnell sich die Zeiten nicht nur im Hinblick auf Technologien verändert haben, sondern auch kulturell. Wer kann da noch ernsthaft einem Fünfjahresplan folgen? Daher besteht unsere größte Herausforderung darin, den Wandel zu managen – und das, ohne unsere Hauptkundengruppe, die durchaus konservative Züge hat, aus den Augen zu verlieren. Wir müssen uns mit der neuen Generation von Konsumenten auseinandersetzen und sie verstehen. Deswegen sind solche Kollaborationen wie mit H&M essenziell für uns.
Wird es weitere Kollaborationen dieser Art geben?
Man muss an seine Marke und an das, was man tut, glauben. Andererseits muss man wandlungsfähig bleiben. Mit H&M haben wir erleben dürfen, wie langlebig gutes Design sein kann und wie vielfältig es einsetzbar ist. In diesem Sinne, ja, sind wir immer offen für neue und gute Einflüsse.
Noch mehr Bilder gibt’s in Ausgabe 4/18 zu sehen (erscheint am 27.August 2018)