Wenn die Einladungen sich in den Postfächern überschlagen, man kaum noch Pressevertreter persönlich erreicht und ein generelles Rauschen durch die Designbranche geht, dann ist eins gewiss: Der Salone del Mobile 2025 und die Milan Design Week stehen vor der Tür. Hier zeigen wir eine Auswahl unserer Highlights.
Am 8. April ging die Mailänder Designwoche offiziell los, wobei die Presse sich mittlerweile mindestens zwei Tage früher einfindet, um einen Überblick zu bekommen. Und das ist auch gut so: Allein schon das stete Wachstum führt dazu, dass Aussteller sich in Kreativität überschlagen, um das Designvolk in ihre Spaces zu locken. Und das Designvolk kommt, aus allen Teilen der Welt. Was bei den besonders beliebten Spots mitunter zu langen Schlangen führt. Das Besondere an Mailand: Das scheint hier nur wenige zu stören. Dabei sein ist alles.
Salone del Mobile 2025: Interessante Orte, Konzepte und Kooperationen
#1: Gute Orte
Das Brera Design Apartment „Orrizonti“, gestaltet vom Designduo Zanellato/Bortotto, gefällt uns nicht nur wegen der hervorragenden Brands, die hier in Szene gesetzt wurden, sondern auch wegen der vielen Gestaltungsdetails, mit denen Wände aller Art verziert sind (stoffbespannte Schranktüren, schmale steinerne Bildleisten, unregelmäßig abfallendes Mini-Mosaik im Bad …). Übergreifende Inspiration für Fabigkeit und Wirkung waren die Bilder des einflussreichen italienischen Fotografen Luigi Ghirri.
Von hier direkt in Sichtweite, mitten im Brera-Straßentrubel: das Airmail Kiosk Takeover von Belmond. On Sale: Collectible Books und Magazines. Sehr gelungener Beweis, dass es eigentlich nicht viel braucht, um herauszustechen.
Und nach vier Minuten geht das Licht aus: Dimoremilano landen mit der Installation „A Prima Notte di Quiete“ für Loro Piana einen der großen Hypes beim Salone del Mobile 2025. Völlig zu recht, versteht sich. Während die typische Dimore Optik, die irgendwo zwischen Modernismus und Klassik schwebt, noch auf den Betrachter wirken will, macht die plötzliche Dunkelheit die Inszenierung selbst zum Star. Und formuliert Fragen ohne Worte – durch einen so simplen wie effektvollen Technik-Trick.
Zum 10-jährigen Jubiläum ihres Nilufar Depot öffnet Lokalmatadorin Nina Yashar das schillernde „Repertorio“, hier mit einem Stuhl von Studio Supaform.

(Foto: Filippo Pincolini)
Ein neuer Anlaufpunkt, der sich bereits mit seiner zweiten Edition zum Treffpunkt für Designvolk und Presse etabliert hat: Das Chiosco Amici, eine kleine Kiosk-Insel in den Randstraßen Breras, zur Designweek inszeniert von der Münchner Outdoor-Lounger-Marke Acapulco. In diesem Jahr kooperierte man mit der Jeansmarke MAC – daher das schöne tiefe Blau.
Für das L’Appartamento by Artemest, bespielen mehrere internationale Interiordesigner einen eigenen Raum mit Produkten der italienischen Handwerk-meets-Luxus-Plattform. Unsere persönlichen Highlights waren hier das Foyer der Australierin Simone Haag und der „Entertainment Room“ von Studio 1508 London, die moderne Version eines klassischen Salons – einst vor allem für Frauen ein wertvoller Rückzugsraum.
Für uns eindeutig der beeindruckendste Raum der Moscapartners Variations im Palazzo Litta: der „Golden Light Cage“ von LcD Textile. Hier wird der Käfig aus Recycelmaterialien und Kupferfaser-Stoff von unserer wunderbaren Chefredakteurin Anne Gelpke erkundet. Auch zu sehen ist ein klarer Inszenierungstrend dieser Messe: spiegelnde All-Over-Silberflächen, die Palazzi und Sälen aller Art zu noch mehr Größe verhalfen.

(Foto: Christina Pearce)
Dass etwas gut ist, weiß man, wenn tausende Menschen Tag für Tag in eine Regionalbahn steigen, um die Stadt für ein winziges Dorf zu verlassen. Zum zweiten Mal fand das junge und experimentelle Ausstellungsformat Alcova in Varedo statt, wo verlassene Herrenhäuser, Gärten und Fabriken dem Design eine wahrhaft spannende Bühne bieten. So inszenierte Lavastein-Fliesenhersteller Ranieri in der SNIA Factory seine atmosphärische, weil auch klangvolle Schau „Under the Volcano“.

(Foto: Alberto Strada)
Gefiel uns hier außerdem: Die aserbaidschanische Handwerks-Brand Chelebi, die feine Tablewear und Accessoires in der alten Küche der Villa Borsani ausstellte.

(Foto: Piergiorgio Sorgetti)
Auch außerhalb des Messezeiten ist die ständige Designausstellung von Edra im Palazzo Durini einen Besuch wert – allein schon wegen der beeindruckenden historischen Architektur. Dieses Jahr sind hier die Stoffe die Stars: Mitinhaberin und Textilbeauftrage Monica Mascheroni ersann eine neue, farbenfrohe Kollektion, die Edelsteinen nachempfunden ist und erstmals für alle bestehenden Möbelmodelle verfügbar sein wird.

(Foto: Alessandro Moggi)
Immer wieder eine Augenweide: Wie jedes Jahr schmückte Ralph Lauren die Fassade seines Flagship-Stores in der Via della Spiga. Es sind Stadtansichten wie diese, die den Reiz und auch Charme dieser Messe ausmachen.
#2 Gute Konzepte und Kooperationen
Beginnen wir mit einem Schmunzeln: Gufram präsentiert seinen ikonisch-ironischen Designklassiker dieses Jahr in einer nie dagewesenen Farbe. Dürfen wir vorstellen: der „Boring Cactus“ in Grau.
Genau die richtige Melange aus Ernst und Offenheit trafen dagegen Alberto Alessi und Giulio Iacchetti mit ihrer experimentellen Designbrand Il Tornitore Matto. Für das Projekt „The Last Pot“ legten 12 internationale (Star-)Designer ganz eigene Konzepte und Ideen für eine Urne vor; gedacht für Menschen, aber auch Haustiere. Unter den Kreatoren: Philippe Starck, Michele de Lucchi, Michael Anastassiades, Daniel Libeskind, Naoto Fukasawa oder David Chipperfield. Heraus kamen schöne, sinnvolle und sehr bedachte Designs, nicht leer und nicht oberflächlich. Mögen wir!

(Fotos: Claudia Zalla)
Dedar webt das Vermächtnis einer Bauhaus Ikone weiter: „Weaving Anni Albers“. Um die historischen Vorlagen möglichst detailgenau nachzubilden, nahm sich der italienische Textilhersteller eineinhalb Jahre Zeit für die Entwicklung. Als Dank gab’s zur ersten Präsentation gerührte Begeisterung beim Auftraggeber, der Albers Foundation aus dem amerikanischen Connecticut. Und auch die Präsentation in Mailand fällt mehr als Sehenswert aus: Im 16. Stock des architektonisch bemerkenswerten Torre Velasca bieten die Dächer und Kuppeln der Stadt eine perfekte Kulisse.
Im Palazzo Litta wurden die Besucher ins Bett geschickt: Marimekko präsentierte die gemeinsame Kollektion mit Laila Gohar, Mitgründerin des gleichnamigen, wunderbaren Tablewear-Shops Gohar World. Wer diesen nicht kennt: unbedingt reinklicken!

(Foto: Sean Davidson)
Die Collectible Design Galerie von Rossana Orlandi ist das ganze Jahr über ein perfekter Anlaufpunkt für Designinteressierte – schon allein wegen der verwinkelten Industrial-Architektur. Zur Milan Design Week präsentierte die wunderbare und immer zuckersüße Serena Confalonieri hier die Vasen-Kollektion „Jambo“ (Swahili für „Hallo“) mit Secondome. Die knalligen Farben sind hier eine Materialfrage: Am Strand angespülte Flip Flops werden von der kenianischen Organisation Ocean Sole zu einer Art Terrazzo aus Gummi recycelt. Neben der ungewöhnlichen Optik sind sie daher auch überraschend leicht. Richtig gut!
Eine sehenswerte, aber wesentlich weniger überlaufene Showflat, bei der Dimorestudio die Finger im Spiel hatte: Das umgestaltete Atelier von Bronze-Handwerkerin Osanna Visconti. Neben ihren Kreationen waren hier Stoffe von Dimoremilano für Hosoo Textiles aus Kyoto zu sehen. Für diese Kollektion mit 33 Dessins konnten Britt Moran und Emiliano Salci aus einem Fundus von 20.000 tradtionellen Obi-Mustern schöpfen, die innerhalb der Hosoo Familie über Generationen weitergereicht werden.

(Foto: Silvia Rivoltella)
Illulian legt einen Teppich vor, der zu schade ist, um darauf herumzutrampeln: „Plumaria“ wird von Hand mit Federn garniert und eignet sich daher hervorragend als Wandschmuck.
Ebenfalls gehypt im letzten Jahr, war auch das „Intermezzo“ des Mailänder Designstudios Studioutte für das amerikanische Möbellabel Atelier de Troupe eine sehenswerte Inszenierung konsequent modernen Designs.

(Foto: Giulio Ghirardi)

(Foto: Giulio Ghirardi)
Und weil’s so schön und so italienisch ist, zeigen wir hier noch ein Highlight-Bild aus der Flos Icons Kampagne, mit der die Leuchtenmarke ihre ikonischen Dauerbrenner feiert.

(Foto: Daniel Riera)
Aktuelle Trends und bunte Designauswahl
Generell lässt sich beobachten, dass die roughe Materialität, die sich in den vergangenen Jahren bereits etabliert hat, weiter ausformuliert wird. Während in Form und Farbe wenig wirklich Neues kommt (think: Braun- und Erdtöne aller Art, Terrakotta, tiefes Rot von Poppy bis Bordeaux), sind es vor allem Oberflächen, die noch weniger perfekt, noch fühlbarer werden. Die Ansätze sind experimentell, oftmals von Materialforschung getrieben. Dabei verschiebt sich die Fragestellung von: Was gibt’s Neues?, zu: Was können wir aus dem machen, was wir haben?
Ein paar Beispiele: Chrom und Aluminium – das große Material-Comeback der vergangenen Jahre – ist noch immer präsent, wird jetzt aber häufig mit einer gebürsteten, matten Oberfläche integriert. Design-Shootingstar Hannes Peer dekonstruierte Marmorplatten zu wunderlich wachsenden Objekten. Und Möbelhersteller Kartell spannt Wiener Geflecht in einen Rahmen aus Kunststoff.

Hannes Peers Installation „Crash“ für Margraf. Unser großes Interview mit dem Design-Shootingstar lesen Sie in →DECO HOME 2/25. (Foto: Amir Farzad)
Zu den oft brutalen Formen und Oberflächen wird der Gegentrend gespielt: Runde bis fließende Linien beherrschen die Möbelkonturen und in der Inszenierung geht es noch stofflicher zu. Daneben entdecken wir viele Anklänge an die Architekturströmung des Californian Modernism, zum einen in den klaren Linien und Farben, vielen Glasflächen (oft farbig) und Plexiglas oder der Verschmelzung von In- und Outdoor-Living. Deutliche Formreferenzen spiegeln sich etwa in Kollektion und Inszenierung des Messegiganten Minotti.

(Foto: Minotti)
Ein hübscher Minitrend, der gut in diese Stilwelt passt: farbig abgesetzte Keder rahmen Polstermöbel und Kissen. Auch die Neuinterpretation von Thonets Stahlrohrklassiker „S64“ durch Fashionikone Jil Sander und die Tendenz zu modular-funktionalen Indoor-Sitzinseln (gesehen bei Talenti und Fast) gehen hier hervorragend rein.

(Foto: Thonet)
Diese und weitere Entdeckungen des Salone del Mobile 2025, haben wir in einer Bildergalerie zusammengefasst:
Erleuchtung am Schluss: Highlights zur Euroluce
Jedes zweite Jahr (im Wechsel mit Küchen) zeigt die Leuchtenwelt bei der Euroluce auf dem Messegelände ihre neuen Kollektionen. Eine Auswahl von der Messe und aus der ganzen Stadt, zeigen wir hier.
Sie lassen sich gerne inspirieren? Schauen Sie doch auch mal in unserer Artikel-Sammlung →Design vorbei.