Im südfranzösischen Uzès fand Eva Gnädinger ein historisches Pfarrhaus und segnete es mit einer neuen Identität. 

Was würde man dafür geben, wenn Mauern sprechen könnten. Das ehemalige Pfarrhaus aus dem Jahr 1868 dürfte sicherlich aus einem prall  gefüllten Nähkästchen plaudern. Es steht in einem Dorf in der Nähe des südfranzösischen Provence-Städtchens Uzès, unweit des berühmten Aquädukts Pont du Gard. Dort hat Eva Gnädinger es entdeckt und erkannt, was in ihm steckt.

Diese Mauern dürften bei sieben Metern Höhe eine Menge zu erzählen haben

Eva Gnädinger: Eine, die ihre Projekte liebt – und darin lebt

Sie ist eine, die schnell sieht, was sich unter bunten Fliesen und hinter lackierten Wandverkleidungen verbirgt. Wie sich das Gebäude mit seinen Mauern, Gewölben und Nischen heute zeigt, ist das Ergebnis ihrer umfassenden, aber auch sehr behutsamen Renovierung. Man registriert den ursprünglichen Kern, gleichzeitig ist es in der Gegenwart verankert.

Im Esszimmer wurde der Originalzustand des Mauerwerks beibehalten
Im Durchgangsbereich wurden sie dagegen restauriert
Für eine gemütliche Atmosphäre in den hohen Räumen sorgen instandgesetzte Kamine

Eva Gnädinger ist gebürtige Schweizerin und – wie man so schön sagt – herumgekommen. Nach ihren Anfängen als Bühnenbildnerin in Los Angeles wechselt sie in die Inneneinrichtung. Häuser in Italien, der  Schweiz und Frankreich gestaltet sie nicht nur um, sie lebt darin.

Rankentapete „Lombardia Stradivari“ von Nina Campbell

Ob sich Eva Gnädinger hier wohl Notizen für ihr nächstes Projekt macht?

Während der aufwendigen Arbeiten  hier in Uzès haben sie vier  Jahre gedauert – baut die Innenarchitektin eine besondere Beziehung zu ihrem jeweiligen Zuhause auf. Sie lässt sich ein. Bis sie sich wieder auf die Suche macht:

„Das geschieht wirklich nicht mit Absicht! Jedes Mal denke ich wieder: Dies ist nun wirklich mein Traumhaus. Aber dann kommt der Zeitpunkt, und er kommt irgendwie immer, an dem es mich weiterzieht, um einen neuen Traum zu leben und einem anderen Objekt eine Seele zu geben.“

Dass sich die Innenarchitektin in ein Haus mit diesem Treppenaufgang verliebte, ist keine Überraschung

Wenn Räume in Szene gesetzt werden

Ein Team aus versierten Handwerkern erneuerte im Pfarrhaus die Leitungen, das Dach, die Fußböden und Heizungsanlage. Steinwände und Holzbalken wurden freigelegt, Fenster vergrößert, um Licht ins dunkle Gemäuer zu bringen. Gern verwendet Eva Gnädinger historische Baustoffe, so auch bei der Einfassung des Pools im Innenhof, der dadurch den realistischen Anschein erweckt, er sei schon immer da gewesen. Rund 500 Quadratmeter Wohnfläche auf vier Stockwerken bieten den Luxus, nicht jeden Winkel effektiv nutzen zu müssen. Die Räume wirken für sich, sie wurden mit ausgesuchten Möbeln und Accessoires regelrecht in Szene gesetzt – man meint, eine Reminiszenz an die Zeit am Theater zu erkennen.

 
 
 

Die Einrichtung kann man in keinem Geschäft kaufen, Eva Gnädinger hat sie „gefunden“, wie sie es nennt. Sie stöbert auf Flohmärkten, besucht auf ihren Reisen Antiquitätenhändler und hat auch schon den einen oder anderen Schatz bei Straßensammlungen entdeckt. Darunter Stühle, Beistelltische, Kunstwerke und Kuriositäten wie ausgestopfte Flamingos oder schrille Vintage-Keramik aus den 60er-Jahren. Eine große Leidenschaft hegt sie für Leuchten aus jeglichen Stilepochen, für die sie auch schon mal neue Lampenschirme gestaltet. 

Auffällige Tapeten nutzt sie als Akzent, ansonsten halten Wandfarben in gedeckten Blau-, Grau- und Beigetönen von Farrow & Ball das kreative Ensemble zusammen.

Noch original erhalten ist die steinerne Treppe, die sich in elegantem Schwung nach oben schraubt. Und zumindest der Klang der Schritte wird vor 150 Jahren genauso gewesen sein wie heute – vielleicht erzählt das Pfarrhaus einfach auf seine eigene Art von früher.

www.evagnaedinger.com

Text: Beate Boehm-Gwantka / Produktion: Laurence Dougier / Fotos: Nicolas Mathéus

Diese Wohngeschichte erschien erstmals in DECO HOME Ausgabe 3/21.