„Man sollte nicht zu vorsichtig sein – im Nachhinein hebt sich vieles auf.“ Interiordesigner Ingo Stein zeigt in einer Kölner Wohnung, warum Mut sich beim Einrichten auszahlt.
Wenn Ingo Stein in eine dieser Düsseldorfer Villen kommt, könnte er gähnen: Hier und da ein Designklassiker, natürlich ein Holztisch, vielleicht noch ein bisschen Granit – das war’s dann. „Die sehen alle gleich aus“, ist das Urteil des Einrichters. Eine manifeste Abwesenheit von Persönlichkeit. Und Ingo Stein wird engagiert, ums zu richten: „Ich soll das Ambiente dann gemütlicher machen, individueller.“
Manchmal reiche schon ein Sessel, der eine Farbe ins öde Wohnzimmer-Schach wirft, vielleicht ein Kronleuchter oder verschiedenartige Stühle am Holztisch. „Was in Deutschland ganz oft fehlt, ist die Vorstellungskraft. Das ist in anderen Kulturen definitiv anders. In England etwa gilt: My home is my castle – ganz egal was die Nachbarn sagen“, erklärt der gelernte Kommunikationsdesigner mit Hang zum wilden Stilmix.
Wie Ingo Stein selbst wohnt, sehen Sie hier.
Nach einem Blick in die von ihm eingerichtete 80-Quadratmeter-Wohnung im, wie er sagt, randbelgischen Viertel ist klar: Ingo Stein verteilt Persönlichkeit auf viele kleine Dinge. Mit dem Schritt über die Türschwelle betreten Besucher eine Wohnwelt, die ganz nach dem Motto gestaltet ist: „Viel geht auch.“ Vor wild gemusterte Tapeten werden noch wildere Bilder gehängt, auf den Möbeln tanzen Mickey, Kitty und Hunde aus glasiertem Porzellan Parade. Das Erstaunlichste daran: Es funktioniert! Doch das scheinbare Chaos vermag Ingo Stein nicht nur durch gestalterisches Gespür zu zähmen. Die wichtigste Voraussetzung für seinen Stil ist einfach nur Mut. „Man sollte nicht zu vorsichtig sein – im Nachhinein hebt sich vieles auf“.
Als der Kölner das Drei-Zimmer-Küche-Bad-Projekt in Angriff nahm, waren alle Wände mit der mutlosesten aller Tapeten bepflastert: „Die Raufaser konnte man nicht lassen“, war dem Einrichter vom ersten Moment an klar. Er beauftragte Handwerker, die das Ganze nach seinem Geschmack umgestalteten – allerdings nicht ohne Umwege: Die schwarze Osborne & Little-Tapete im Schlafzimmer wurde versehentlich an die falsche Wand angebracht, so dass man beim Betreten des Raumes direkt darauf zuging. Der Lichteinfall betonte sie noch zusätzlich. Für Ingo Stein ein Fauxpas, der die Wand optisch mindestens 50 Zentimeter hervorgeholt habe.
„Die Gestaltung darf niemals negativ für den Raum sein“, mahnt der Ästhet. Und genauso wenig wie auf eine schwarze Tapete solle man im Wohn- oder Schlafzimmer auf einen Schrank zugehen. Der Stein’sche Mustermix wiederum kann gelingen, wenn sich einzelne Farbnuancen wiederholen. Hier gilt: „Je mehr man mixt, desto mehr kann man mixen.“ Klingt komisch, sieht aber gut aus.
Manchmal fühlt sich Ingo Stein zwischen Kitsch, Kunst und Petersburger Hängung fast wie im Museum. Eine Dauerausstellung, die er ständig mit neuen Schätzen aufmischt. Es sind ausschließlich Stücke, die dem Einrichter am Herzen liegen. Und das ist nicht kitschig. Das ist alles, was wichtig ist.