Können reduzierter Einrichtungsstil und Familienalltag ganz selbstverständlich koexistieren? Ja, beweist der belgische Designer Vincent van Duysen mit dem Interieur einer Landhausvilla und gibt Tipps für das Einrichten mit Stoffen. Hereinspaziert! 

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Im Herzstück des Hauses, dem Salon, ergänzen Sitzmöbel von Christian Liaigre und Acel Vervoordt Vincent van Duysens Entwürfe. Foto: © VG Bild-Kunst Bonn 2019, Ettore Spalletti

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Der belgische Architekt, Interior- und Produkt-Designer Vincent van Duysen

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Die Möbel für die Essecke entwarf der Designer selbst

Am Ende geht es immer darum: Was ist genug und was ist zu viel? Wenn Vincent van Duysen einrichtet, dann ist das Ergebnis pur, aber nicht minimalistisch, klar strukturiert, aber niemals ohne Seele. „Sobald ich die geometrischen Prinzipien eines Projekts ermittelt habe, beginne ich, die Materialien im richtigen Verhältnis Schicht für Schicht zu einem Raumgefüge zusammenzustellen, das auf den Punkt gebracht wirkt.“ Keine leichte Übung im Falle der Art-déco-Landhaus-Villa aus den 1920ern, unweit des Antwerpener Schlosses Den Brandt. Moderner sollte sie werden, weitläufiger, dabei weltmännisch, aber auch locker, mit viel Raum für Familienleben. Vincent van Duysen begann damit, Licht in die so düstere wie formale Raumplan-Architektur zu bringen. Offene Flächen, zusammengehalten durch Materialien wie die breiten Eichendielen, die sich vom Wohnzimmer bis in die Küche ziehen. Knochenfarbene Nuancen in Stein, Lack und Naturhölzern liefern die Basis für maßgeschneiderte Möbel, lederne Sitzoberflächen und ausgewählte Kunst.
Es bedarf schon einer besonderen Begabung, die vielen leisen Töne ohne Trägheit zu bespielen. Vor jedem Projekt freut sich Vincent van Duysen vor allem darauf, überraschende Ideen zu testen. Um eine eigene Aura der Integrität und Individualität zu schaffen, wie er sagt. Unerwartete Details statt der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Natürlich nur in Synergie mit seinen Kunden: „Ein gegenseitiges Verständnis ist unglaublich wichtig – dass wir dieselben Werte teilen.“ Nur so kann er in ihre Seele blicken und verstehen, was Wohlfühlen für sie bedeutet. Dabei liegt die Essenz ganz wörtlich im Fühlen: taktile Oberflächen – anfassen, einsinken, runterkommen. Stoffe sind für ihn die letzte Schicht, die in Form von Polstern, Vorhängen, Teppichen und Wandbespannungen strengere Materialien erweichen.
Ende 2018 wurde der belgische Architekt, Interior- und Produktdesigner zusammen mit Anna Ebbesen in die kreative Leitung von Sahco berufen. „Ich glaube, dass all diese Disziplinen auf die eine oder andere Art miteinander verbunden sind. Hier in Flandern haben Stoffe eine lange Tradition, mir wurde eine Affinität dazu in die Wiege gelegt.“ Das werde ihn aber nicht daran hindern, nach neuen Ansätzen und Innovationen zu forschen. Es geht um nicht weniger, als die Wahrnehmung von Interieurs herauszufordern. Aber gleichzeitig eine Vision zu haben und den roten Faden weiterzuspinnen, der sich durch seine Arbeit zieht: überraschen, aber nicht zu viel.
Text: Christina Pearce, Fotos: Studio Matthieu Salvaing ©OTTO

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Als die Zwillinge den Art-déco-Bau übernahmen, wich die formale Strenge familiärer Lockerheit

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Smarter Coup zur strengen Architektur: das Bad im Holzgewand

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Den wohnlichen Pool-Bereich kultivieren „Surrogate Paintings“ von Allan McCollum

 

4 Tipps von Sahco-Designer Vincent van Duysen zum Einrichten mit Stoffen

Herr van Duysen, wie gelingt auch mit neutralen oder natürlichen Tönen ein spannendes Interieur?

In der Natur finden sich die unterschiedlichsten Texturen, das macht sie so interes-sant. Dieses Prinzip lässt sich auf die Einrichtung übertragen: Durch die Kombination von feinen und groben Strukturen, hellen und dunklen Tönen oder Modernem mit Klassischem schafft man ähnliche Gegensätze und somit Spannung.

Wie lang sollten Vorhänge sein, damit sie lässig wirken?

Das ist schwer zu verallgemeinern. Es kommt immer auf den Raum und den gewählten Stoff an. Leinen oder leichte Textilien wirken einfach lässiger als schwere. Ich lasse Vorhänge gerne auf dem Boden ruhen, das wirkt so, als wären sie schon immer da gewesen. Wichtig ist, dass sie natürlich und nicht arrangiert aussehen. Wer unsicher ist, sollte sich vom Raumausstatter beraten lassen.

Welches ist der häufigste Fehler, der bei der Auswahl von Textilien gemacht wird?

Es gar nicht erst zu versuchen. Oder nicht zu erkennen, wann die Mischung genau richtig ist und wann es zu viel wird. Man muss ein Gespür dafür entwickeln, welche Muster oder Töne gut zusammenpassen. Ich persönlich würde immer in einer Farbfamilie bleiben und nicht mehr als ein, zwei Kontraste im Raum setzen. Auch oder gerade was die Muster betrifft.

Warum brauchen wir zu Hause Stoffe?

Sie bringen Wärme, Gemütlichkeit und Individualität wie kein anderes Stilmittel. Außerdem kann man mit ihnen einfach, aber effektvoll Veränderungen vornehmen. Für mich sind sie in jedem Raum unverzichtbar.

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Die Textilkollektion 2019 von Sahco. Mehr dazu auf www.sahco.com

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