Greg Natale ist bekannt für seinen Muster und Farben liebenden Glamour-Style. Nun gab der Interiordesigner einem rauen, brutalistischen Bau in Sydney ein frisches Uplift – das sowohl der cleanen Architektur als auch dem eigenen Stil gerecht wird. Die Geschichte einer gelungenen Gratwanderung.
Gelegen an einem Steilhang im Süden Sydneys, versteckt sich zwischen tropischen Grün und üppigen Palmen ein eckiger, imposanter Baukörper: Ein flaches Dach, eine Fassade aus Beton und große bodentiefe Fenster bilden das Äußere von „Kyle Bay House“. Diesen kühn-kühlen Bau artgerecht und doch überraschend einzurichten, nahm sich der australischen Interiordesigner Greg Natale vor, der vor allem für seinen maximalistischen Stil zwischen Art déco, Farben und glamourösen Samtbezügen bekannt ist.
Brasilianischer Modernismus als Ausgangspunkt
„Als meine Kunden den Wunsch nach Beton, Holz, schwarzen Ziegel und gemusterten Fliesen für ihr Haus äußerten, musste ich umgehend an den brasilianisch modernistischen Stil des Architekten Paulo Mendes Da Rocha denken“, erinnert sich Greg Natale. „Schon lange bewundere ich die klare Formspache seiner Entwürfe und das Raumgefühl, das er durch das Zusammenbringen von Drinnen und Draußen entstehen lässt.“
Auch wenn man es im ersten Moment nicht vermuten mag, ist Natale im Herzen ein Liebhaber des Modernismus. „Der frühe, modernistische Einfluss meiner Karriere ist mir immer erhalten geblieben“, sagt Natale. „Ich bin überzeugt, dass man diese starke, strukturelle Logik braucht, um all die dekorativen Elemente zu untermauen. Modernismus ist eine großartige Leinwand für ausdrucksvolles Design.“
So setzte Greg Natale dem Beton etwas entgegen
Wie es sich für ein Meisterwerk des Brutalismus gehört, spielt Beton die Hauptrolle des Baus. Dabei schreibt Natale dem grauen, rohen Material nicht nur eine statische Aufgabe zu. Im gesamten Haus nimmt er auch eine dekorative Funktion an. An den Decken lässt sich ein auffälliges Rautenmuster entdecken, die Bohrlöcher in den Betonplatten sind mit schimmernden Messing gefüllt. „Während des ganzen Gestaltungsprozesses ging es immer wieder darum, ein Wechselspiel zwischen dem Harten und Weichen, dem Minimalistischen und Maximalistischen herzustellen“, hält der Interiordesigner fest.
So ließ er Teile des Fußbodens und der Decke mit Holz decken, das Kontraste schafft und einen wärmenden Gegenpol zum kühlen Beton darstellt. Layering lautet hierbei das Zauberwort – und das hat Natale über die Jahre perfektioniert. Zartes Rosa, sattes Gelb und ein frisches Türkis kontrastieren zu elegantem Burgunderrot sowie Tannengrün und bilden die Farbpalette des Hauses. Letztere vereint sich in einem Läufer im Art-déco-Stil, den Natale selbst entwarf.
Auch im offenen Koch- und Essbereich nimmt Palisander dem rauen Beton die Strenge. Gemasterter Marmor und Granit, warme Messingelemente sowie farbiges Leder und unterschiedlich texturierte Stoffe ergänzen den raffinierten Materialmix.
Die eklektische Mischung aus Farben und Oberflächen setzte Natale auch im Obergeschoss des Hauses fort. So wurde die Holzdecke im Hauptschlafzimmer in einem satten Petrol gestrichen, ebenso das Badezimmer nebenan. Während im Ensuite-Bad geometrische Marmorfliesen über den Boden fließen, überraschen die Kinderbadezimmer mit kleinen, quadratischen Fliesen in Rosa oder Weiß. Um den Fliesen noch mehr Geltung zu verleihen, entschied sich der Interiordesigner für schwarze, kontrasierende Fugen und Armaturen.
Midcentury-Pieces als Eyecatcher
Überall im Haus sind Fundstücke aus den 1960ern und 70ern zu entdecken. „Da wir uns ja schon in der modernistischen Ära bewegten, schien es nahe, Elemente einzubauen, die an die pulsierenden Jahre erinnern“, sagt Greg Natale. Stühle von Grant Featherston reihen sich um den Esstisch, der versenkte Wohnbereich im Erdgeschoss erinnert an die sogenannten „Conversation Pits“ aus der Mitte des Jahrhunderts.
Für den Außenbereich ließ sich Natale von der umliegenden Küstenlandschaft inspirieren. „Wie bei den meisten modernistischen Bauten versuchte ich die Natur durch zahlreiche Öffnungen und Innenhöfe zu integrieren. Das gibt dem monumentalen Erscheinungsbild eine gewisse Durchlässigkeit. Außerdem ermöglicht es einen fließenden Übergang zwischen Drinnen und Draußen.“ Diese Verbindung erzeugte Natale außerdem durch Fortsetzung von Materialien und Farben im Außenbereich. Auf welcher Ebene im Haus man sich befindet, lässt sich vor allem an den durchgängig verlegten Fliesen ablesen.
In der unteren Etage verlaufen geometrische, aber monochrome Kacheln vom inneren Barbereich bis auf die Terrasse. An einem weiteren Außen-Essplatz greifen burgunderrote Stühle die Farbpalette des Interiors wieder auf. Raffinierte Verbindungen wohin das Auge reicht und ein spielerischer Mustermix durch und durch. Mit dem Kyle Bay House gelang Greg Natale eine Hommage an den brasilianischen Modernismus. Und das mitten in Australien.
Fotos: Anson Smart / Styling: Claire Delmar